Kommentar Unterhaltsberechnung

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Hinweise zur Auflage Juni 2020 mit update Juni 2022 sowie Kurzkommentar zu ausgewählten Themen der Unterhaltsberechnung
Der Kommentar ist dazu bestimmt, die Anwendung der Berechnungsblätter zu erklären und zu erleichtern.

Von Prof. Dr. Annette Spycher, Fürsprecherin, LL.M., Bern
Daniel Bähler, Fürsprecher, Oberrichter (bis 2022), Bern
Dr. Nadja Majid, Rechtsanwältin, Zürich

Aktualisierung Kommentar, Stand Rechtsprechung und Literatur sowie Tabellen Juni 2022

Inhalt

1 Hinweise zur Auflage Juni 2020, Update Juni 2022

1.1 Gestaltung und Struktur der Tabellen
1.2 Adressatenkreis
1.3 Verwendung der Tabellen in Rechtsschriften und Entscheiden

2 Neue bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Unterhalt

2.1 Berechnungsmethode: Lebenskostenmethode (= Lebenshaltungskostenmethode)
2.2 Schulstufenmodell
2.3 Insbesondere Betreuungsunterhalt
2.4 Insbesondere ehelicher und nachehelicher Unterhalt
2.5 Insbesondere Volljährigenunterhalt
2.6 Kompatibilität der Berechnungsblätter mit der neuen Rechtsprechung

3 Kommentar zu ausgewählten Themen der Unterhaltsberechnung

3.1 Allgemeine Angaben (Hauptblatt)
3.2 Verfügbare Mittel/Einkommen
3.3 Insbesondere Selbständigerwerbende

3.3.1 Allgemeines
3.3.2 Kritische Positionen
3.3.3 «Schein-Angestellte»/Angestellte in eigener (Aktien-) Gesellschaft
3.3.4 Landwirte

3.4 Auslagen/Bedarf
3.5 Weitere Berechnungsschritte
3.6 Besondere Einkommenssituationen

3.6.1 Mangelfälle bzw. Mankosituationen
3.6.2 Fälle mit weiterbestehender Sparquote

3.7 Besondere Betreuungssituationen

3.7.1 Fälle mit hohen persönlichen Betreuungsanteilen beider Eltern
3.7.2 Fälle mit umfangreicher Drittbetreuung/Doppelverdienende
3.7.3 Koordination mit Kindern aus zwei oder mehr Beziehungen

1 Hinweise zur Auflage Juni 2020, Update Juni 2022

Am 1.1.2017 trat die Revision des Kindesunterhalts in Kraft. Die in der Folge vorgenommene umfassende Überarbeitung der Berechnungstabellen beruhte von Anfang an auf der zweistufig-konkreten Methode des familienrechtlichen Grundbedarfs mit Überschussverteilung. Sie ermöglicht damit die Berechnung aller Unterhaltsbeiträge entsprechend den gesetzlichen Vorgaben sowie insbesondere der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung.

Nähere Angaben zum Erwerb der Berechnungsblätter finden Sie auf der Seite „Bestellung“.

1.1 Gestaltung und Struktur der Tabellen

Die Gestaltung der Tabellen orientiert sich an der vom Bundesgericht als verbindlich vorgegebenen Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums, bzw. (leicht erweitert) des familienrechtlichen Grundbedarfs (auch „familienrechtliches Existenzminimum“ genannt), mit Überschussverteilung.

Die Faktoren Bedarf und Einkommen aller Beteiligten – Eltern und Kinder – werden je pro Person einzeln aufgeführt, dies auf dem ersten Blatt, dem sogenannten Hauptblatt (Tabelle Nr. 11). Tabelle Nr. 11 ist neutral formuliert.

Für die Berechnung von Fällen mit vorwiegender Betreuung der Kinder durch einen Elternteil ist die Tabelle Nr. 11 anwendbar.  Diesbezüglich ist Folgendes zu beachten:

  • Das Blatt „Résumé“ dient als Zusammenzug der wichtigsten Resultate des jeweiligen Hauptblatts auf einer A-4-Seite.
  • Ein Manko wird automatisch auf die verschiedenen Unterhaltsarten verteilt.
  • Es besteht die Möglichkeit der Eingabe weiterer Einkommensbestandteile (gilt auch für Tabelle Nr. 15).

Im Kapitel 3.7.1 «Fälle mit hohen persönlichen Betreuungsanteilen beider Eltern » des nachstehenden Kommentars werden Fälle mit beidseitig hohen Betreuungsanteilen angesprochen. Diese lassen sich oft nur in der separaten Tabelle Nr. 15 angemessen abbilden. Wichtige Ausnahme: Wenn zum vornherein klar ist, dass ein Elternteil Unterhaltsbeiträge bezahlen muss – insbes. bei deutlichem Einkommensgefälle –, und wer dies ist, kann ebenfalls Tabelle Nr. 11 verwendet werden. Diesfalls sind die direkt beim Unterhalt bezahlenden Elternteil anfallenden Kinderkosten – im Sinn einer Ausnahme vom üblichen Vorgehen – in seinen eigenen Bedarf einzurechnen. Dasselbe gilt für einen allfälligen Anteil vom auf die Kinder entfallenden Überschuss, sofern der betreffende Elternteil Ausgaben, die aus dem Überschuss zu bestreiten sind, direkt bezahlt. (Würde man diese Kosten – wie ansonsten üblich und richtig – als Bedarf des Kindes einrechnen, ergäbe sich eine Verdoppelung und damit eine ungerechtfertigte Erhöhung der Unterhaltsbeiträge).

Sind keine minderjährigen Kinder zu berücksichtigen, ist die separate Tabelle Nr. 16 (nicht Tabelle Nr. 11, Hauptblatt) zu verwenden. Tabelle Nr. 16 verzichtet auf das Hauptblatt und enthält alle notwendigen Verlinkungen auf dem ersten Blatt («Unterhalt»). Achtung! In dieser Tabelle sind im Gegensatz zur Tabelle 11 die Angaben des unterhaltsberechtigten Ehegatten links und diejenigen des unterhaltspflichtigen Ehegatten rechts einzutragen.

In den Tabellen sind die Steuerberechnung (inkl. dazugehörige Grundlagen) und die Berechnung Vorsorgeunterhalt (wo relevant) enthalten.

Tabelle Nr. 17 ermöglicht die Berechnung des gebührenden Unterhalts vor der Trennung (letzte gemeinsame Lebenshaltung, vgl. BGE 147 III 293, E. 4.4).

Tabelle Nr. 19 ist dienlich hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Liegenschaften bei getrennter Veranlagung. In der Lieferung sind zudem enthalten: Tabellen zum Güterrecht (Auseinandersetzung bei Errungenschaftsbeteiligung), darunter Tabelle Nr. 25 (Berechnung bei Auflösung einer einfachen Gesellschaft zwischen Ehegatten betreffend Liegenschaft) und Tabellen zur Mehrwertberechnung sowie Tabellen zum Vorsorgeausgleich (nur Austrittsleistungen, Tabellen Nrn. 31 ff), sowie gewisse weitere Excel-Berechnungen (Tabellen Nrn. 41 ff).

1.2 Adressatenkreis

Die Tabellen sind ausschliesslich zur Verwendung durch im Familienrecht spezialisierte Personen bestimmt. Sie verlangen gute und fundierte Kenntnisse des Unterhaltsrechts und des Steuerrechts natürlicher Personen.

Von einer Anwendung durch Laien wird ausdrücklich abgeraten. Vgl. AGB.

1.3 Verwendung der Tabellen in Rechtsschriften und Entscheiden

Bei der Verwendung von Tabellen in Rechtsschriften und Entscheiden genügt der blosse Verweis auf die Berechnungstabellen weder der Begründungspflicht der Anwältin (im Rahmen von Rechtsschriften), noch des Gerichts (im Rahmen von Entscheiden). Die grundsätzlichen Erläuterungen gehören deshalb in den Text. Die Tabellen können (und sollen) hingegen der Unterstützung, der besseren Verständlichkeit sowie insbesondere auch der Abbildung von Einzelheiten und Herleitungen dienen, die in Worten allein oder in einem mit Zahlen durchsetzten Fliesstext nur umständlich oder unübersichtlich ausgedrückt werden können.
Beruhen gewisse Zahlen in Berechnungstabellen auf weiteren Rechnungen (z.B. Steuerberechnungen oder die Berechnung von Vorsorgeunterhalt), sind diese zugehörigen Berechnungen ebenfalls beizulegen. Beruhen Zahlen auf Wertungen, so sind die Wertungen ebenfalls im Text wiederzugeben. Andernfalls erweist sich der Entscheid (in diesem Punkt) u.U. als ungenügend begründet. Ausgedruckte Berechnungsblätter, welche mit Rechtsschriften eingereicht werden, gehören in einen Anhang und nicht zu den Beilagen. Sie sind Parteibehauptungen, nicht Beweismittel. Bei kantonalen Besonderheiten können (und sollen; vgl. Steuern) die Berechnungsblätter ohne weiteres – wo nötig – angepasst werden.

2 Neue bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Unterhalt

2.1 Berechnungsmethode: Lebenskostenmethode (=Lebenshaltungskostenmethode)

Das Bundesgericht verwarf im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Berechnung des Betreuungsunterhalts explizit das Weiterbestehen des früheren Methodenpluralismus (BGE 144 III 481, E. 4.1). Es erachtet die auf der Gegenüberstellung von Einkommen und Bedarf aller Beteiligten beruhende sog. Lebenskostenmethode (auch: Lebenshaltungskostenmethode; BGE 144 III 377, E. 7; BGE 144 III 481, E. 4.1) nunmehr für alle Unterhaltsarten anwendbar (Kindesunterhalt: Barunterhalt, BGE 147 III 265; nachehelicher Unterhalt, BGE 147 III 293; ehelicher Unterhalt, BGE 147 III 301).

Vorbehalten bleibt einzig die einstufig-konkrete Methode für den Ehegattenunterhalt oder nachehelichen Unterhalt in besonderen Situationen; die Anwendung erfordert eine spezielle Begründung (vgl. u.a. Urteil 5A_850/2020, E. 3 vom 4.7.2022); vgl. Ziff. 2.4.

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat seit 2019 im Bereich des Unterhaltsrechts dementsprechend viele Klärungen und teilweise (je nach bisheriger Praxis des jeweiligen Kantons) Neuerungen mit sich gebracht, gleichzeitig aber auch neue Fragen aufgeworfen. Nachstehend sei summarisch auf einige besonders wichtige Aspekte der neuen Rechtsprechung hingewiesen. Das Modell der Berechnung des Unterhalts nach der zweistufig-konkreten Methode des familienrechtlichen Grundbedarfs (auch: familienrechtlichen Existenzminimums) mit Überschussverteilung wird als bekannt vorausgesetzt. Für Einzelheiten vgl. die relevanten Entscheide und die einschlägige Lehre.

2.2 Schulstufenmodell

2.2.1 Allgemeines

2.2.1 Umschreibung: Das Thema ist der Umfang der zumutbaren Erwerbstätigkeit neben der Betreuung von Kindern. Das Bundesgericht hat die Einführung des Betreuungsunterhalts zum Anlass genommen, die  lange massgebende „10/16-Regel“ aufzugeben und das sog. Schulstufenmodell zu übernehmen (BGE 144 III 481, E. 4.7.6). Dieses gilt nunmehr für sämtliche Unterhaltsbeiträge, bei denen die Beurteilung des zumutbaren Erwerbspensums neben der Kinderbetreuung erforderlich ist (BGE 144 III 481, E. 4.8.2).

Gemäss Schulstufenmodell soll ein hauptsächlich die Kinder betreuender Elternteil ab der obligatorischen (je nach Kanton mit dem Kindergarten- oder mit dem eigentlichen Schuleintritt erfolgenden) Einschulung des jüngsten Kindes einer Erwerbstätigkeit zu 50% nachgehen können, ab Eintritt des jüngsten Kindes in die Oberstufe (Sekundarstufe I) zu 80%, und ab dem vollendeten 16. Lebensjahr des jüngsten Kindes zu 100%. Das Schulstufenmodell gilt unabhängig vom Zivilstand der Eltern (BGE 144 III 481, E. 4.7.6; Urteil 5A_743/2017, E. 5.3.2 vom 22.5.2019; Urteil 5A_931/2017, E. 3.2.2 vom 1.11.2018). Immerhin ist bei der Beurteilung der Erwerbssituation der in einem bisherigen gemeinsamen Haushalt gelebten „Familienorganisation“ Rechnung zu tragen (Urteil 5A_889/2018, E. 3.2.2 vom 15.5.2019) – wenngleich nicht unbegrenzt.

2.2.2 Begründung: Die Anwendung des Schulstufenmodells wird damit begründet, dass die Einschulung des Kindes zu einer Entlastung des hauptsächlich betreuenden Elternteils führt und im Verlaufe der Jahre sich die „schulische Betreuung“ weiter ausdehnt (BGE 144 III 481, E. 4.7.6; Urteil 5A_743/2017, E. 5.3.2 vom 22.5.2019).

2.2.3 Ausgangspunkt, aber nicht Endpunkt der gerichtlichen Ermessensausübung: Beim Schulstufenmodell handelt es sich um den Ausgangspunkt der Regelbildung und der gerichtlichen Ermessensausübung. Die Ausübung des pflichtgemässen richterlichen Ermessens erfordert im Einzelfall ein Abweichen davon (vgl. BGE 144 III 481, E. 4.7.9; Urteil 5A_889/2018, E. 3.2.2 vom 15.5.2019; Urteil 5A_978/2018, E. 1 vom 15.4.2019, wonach nebst weiteren Faktoren insbesondere die Anzahl der Kinder (in casu 3), Unstimmigkeiten zwischen den Eltern über die Betreuung sowie besondere medizinische Erfordernisse zu beachten sind; Urteil 5A_743/2017, E. 5.3.2 vom 22.5.2019; Urteil 5A_327/2018 vom 17.1.2019, wonach die zumutbare Erwerbstätigkeit des einen Elternteils von 80% auf 70% reduziert wurde, da der andere Elternteil sein Besuchsrecht nicht wahrnahm; Urteil 5A_931/2017, E. 3.2.2 vom 1.11.2018, wonach im konkreten Fall erst nach Erreichen des 10. Altersjahrs des jüngsten Kindes eine Erwerbstätigkeit mit einem Arbeitspensum von 50% als zumutbar erklärt wurde; Urteil 5A_968/2017, E. 3 vom 25.9.2018, wonach unter Umständen ein bereits zu 70% erwerbsfähiger Elternteil trotz alternierender Obhut nicht verpflichtet werden kann, vor dem 16. Altersjahr des Kindes eine Erwerbsfähigkeit zu 100% auszuüben; Urteil 5A_632/2018 vom 21.1.2019, wonach die Erhöhung des aktuellen Arbeitspensums von 50% als unzumutbar erachtet wurde, da der Arbeitgeber der Mutter der 13 und 16 Jahre alten Kinder einer Erhöhung des Arbeitspensums nicht zustimmte; Urteil 5A 830/2018 vom 21.5.2019, wonach die gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes und die fehlende berufliche Integration der Mutter berücksichtigt wurden; Urteil 5A_1065/2020 vom 2.12.2021, wo bei Vorhandensein dreier Kinder aus einer ersten Beziehung offenbar von einer zumutbaren Erwerbstätigkeit von nur 40% anstatt der „modellgemässen“ 50% ausgegangen wurde). Mit Blick auf die erste Schulstufe ist beispielsweise zu klären, ob im Einzelfall hinsichtlich der konkreten Verhältnisse (Dauer der unterrichtsfreien Zeit pro Halbtag, ausserschulische Drittbetreuung, konkrete Schulzeiten bzw. Kindergartenzeiten am jeweiligen Ort, Distanz zum Arbeitsort usw.) tatsächlich die Möglichkeit besteht, einer Erwerbstätigkeit von 50% in vernünftigem Rahmen nachzugehen (Urteil 5A_702/2020, E. 3.2 vom 21.5.2021; Urteil 5A_273/2018, E. 7.3.1 vom 25.3.2019; Urteil 5A_743/2017, E. 5.3.2 vom 22.5.2019; Urteil 5A_978/2018, E. 1 vom 15.4. 2019). In diesem Zusammenhang sind ferner nach gerichtlichem Ermessen weitere Entlastungsmöglichkeiten durch freiwillige (vor-)schulische oder ausserschulische Drittbetreuung zu berücksichtigen (BGE 144 III 481, E. 4.7.8). Allerdings dürfen diesfalls weder die tatsächliche Verfügbarkeit solcher Angebote (BGE 144 III 481, E. 4.7.7; Urteil 5A_978/2018, E. 1 vom 15.4.2019) noch u.E. die damit verbundenen Kosten ausser Acht gelassen werden.

Dazu, zum weiteren Konkretisierungsbedarf sowie zum Erfordernis, dass Einzelfallgerechtigkeit nicht die Rechtsgleichheit beeinträchtigt, und der Notwendigkeit einer Fallgruppenbildung vgl. Hausheer, Weitere Rechtsprechung zum neuen Betreuungsunterhalt, in: FamRZ 2019, 1513 ff, 1515. 

2.2.4 Kritik: Gewisse bundesgerichtliche Annahmen hinsichtlich der „in der Regel“ möglichen Betreuung erweisen sich u.E. als allzu optimistisch. Bspw. ist nicht erklärt, wie nebst der Betreuung eines Kindergartenkindes (und allenfalls weiterer Kinder), schon nur mit Blick auf das übliche Pensum im Kindergarten – noch ohne zusätzliche Drittbetreuung – eine 50%ige Erwerbstätigkeit konkret organisierbar sein sollte (vgl. dazu Stoll/Fankhauser, in: FamPra.ch 2018, 1068 ff, 1085 ff; Schweighauser/Stoll, 613 ff, 623 ff; Burri, in: sui-generis 2019, 1 ff, 10; vgl. dazu auch Urteil 5A_702/2020, E. 3.2 vom 21.5.2021). Kantonale Unterschiede wie das uneinheitliche Einschulungsalter, die Dauer von Ferien (insbes. Sommerferien) und die u.U. beschränkte Verfügbarkeit von (bezahlbarer) Drittbetreuung (gerade auch während der Ferienzeiten) stellen zusätzliche Schwierigkeiten dar. Auch die im Urteil 5A_963/2018, E. 3 vom 23.5.2019 aufgeworfene (jedoch nicht hinlänglich gerügte) Thematik der Betreuung zu Schulferienzeiten bedarf u.E. der Berücksichtigung, gerade wenn höhere Erwerbspensen als bis anhin neben Betreuungspflichten gegenüber jüngeren Kindern erwartet werden.

2.2.5 Letzte Entwicklungen bzw. Differenzierungen: Im Urteil 5A_85/2021, E. 7.3 vom 26.3.2021 wurde entschieden, dass es nicht willkürlich sei, wenn beim hauptbetreuenden Elternteil von einer Erwerbsfähigkeit mit einem Erwerbspensum von unter 50% ausgegangen werde, obwohl das jüngste von drei Kindern bereits 9-jährig ist. Dies, weil die Betreuung von drei Kindern eine höhere Belastung nach sich zieht und zudem der andere Elternteil i.c. aufgrund des im vorliegenden Fall eingeschränkten Besuchs- und Ferienrechts bei der Betreuung der Kinder nur sehr reduziert mitwirken kann. Im Urteil 5A_944/2021, E. 6.2 vom 19.5.2022 erwog das Bundesgericht, dass die Mutter z.Zt. lediglich einer Erwerbstätigkeit mit einem Pensum zu 50% anstatt zu 80% nachgehen könne, obwohl die beiden Kinder bereits das 12. Altersjahr erreicht haben. Grund dafür waren schulische und persönliche Schwierigkeiten der Kinder (Lernschwäche; Asperger-Syndrom). Die Argumentation des Vaters, wonach die Mutter trotzdem einer Erwerbstätigkeit zu 80% nachgehen könne, indem sie jeden Tag 6.4 Stunden ihrem Beruf nachgehe und entsprechend über den Mittag und ab 16.00 Uhr zu Hause sein könne, hat das Bundesgericht zu Recht und mit klaren Worten verworfen. Im Urteil 5A_382/2021, E. 7.3.1.2 vom 20.4.2022 hielt das Bundesgericht fest, dass eine Abweichung vom Schulstufenmodell im Sinn einer Senkung der Altersgrenzen nicht gerechtfertigt ist, wenn die frühere Aufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit des hauptbetreuenden Elternteils lediglich den Unterhaltsschuldner entlastet, nicht aber zu spürbaren wirtschaftlichen Vorteilen beim Kind führt.

Das Schulstufenmodell stellt insgesamt höhere Anforderungen an den beruflichen Wiedereinstieg als die frühere 10/16-Regel, was sich insbesondere dort nachteilig für die Gläubigerin auswirkt, wo der Nachweis, das im Schulstufenmodell vorgegebene Erwerbspensum im konkreten Fall nicht erfüllen zu können, sich als schwierig erweist. Bei übermässig strikter Anwendung des Modells wird die die gesetzgeberische Vorgabe, persönliche Betreuung und Drittbetreuung seien gleichwertig, in Frage gestellt (vgl. auch Aebi-Müller, in: Jusletter 21. Januar 2019, insbes. Rz. 93 ff). Das Bundesgericht hat hier punktuell Gegensteuer gegeben (vgl. Urteil 5A_944/2021, E. 6.2 vom 19.5.2022).

2.2.6 Besondere Fälle: Auch wenn beide Elternteile umfangreich selber betreuen ist ggf. das Schulstufenmodell für die Frage der Aufstockung des Beschäftigungsgrades herbeizuziehen (Urteil 5A_968/2017, E. 3.1.1 vom 25.9.2017).

2.3 Insbesondere Betreuungsunterhalt

2.3.1 Kindesunterhalt besteht aus Natural-, Bar- und Betreuungsunterhalt. „Der Naturalunterhalt besteht in der Betreuung und Erziehung des Kindes. Er stellt mithin die nichtpekuniäre Komponente des Kindesunterhalts dar. Der Bar- und Betreuungsunterhalt werden beide in Form von Geldleistung erbracht.“ (BGE 144 III 481, E. 4.3). Der Barunterhalt umfasst die direkten Kosten des Kindes – wie diejenigen für Nahrung, Kleidung, Wohnen und insb. Drittbetreuung (zu letzterer a.a.O.) –, der Betreuungsunterhalt hingegen die indirekten Kosten für die persönliche Betreuung durch einen Elternteil. Damit „werden (…) die (indirekten) Kosten abgegolten, welche einem Elternteil dadurch entstehen, dass er aufgrund einer persönlichen Betreuung des Kindes davon abgehalten wird, durch Arbeitserwerb für seinen Lebensunterhalt aufzukommen“ (BGE 144 III 481, E. 4.3; vgl. auch Urteil 5A_743/2017, E. 5.2.3 vom 22.5.2019; mit Verweisen auf die Botschaft).

2.3.2 Der Barunterhalt geht grundsätzlich dem Betreuungsunterhalt vor; dies, weil er der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse des Kindes dient und somit direkt dem Kind zukommt. Der Betreuungsunterhalt ist hingegen wirtschaftlich für den betreuenden Elternteil bestimmt und dient folglich nur indirekt der Deckung der Bedürfnisse des Kindes (BGE 144 III 481, E. 4.3 in fine; vgl. auch BGE 144 III 377, E. 7.1.1; Urteil 5A_743/2017, E. 5.2.3 vom 22.5.2019).

Dieser Vorrang endet, wenn eine „Konkurrenz“ zwischen Kindern (aus verschiedenen Beziehungen) besteht, von denen gewisse persönlich und andere drittbetreut werden. Diesfalls hat die im Barunterhalt enthaltene Komponente „Drittbetreuungskosten“ in einer Mankosituation keinen Vorrang vor dem Betreuungsunterhalt und ist deshalb im Barunterhalt nicht einzurechnen (Urteil 5A_708/2017, E. 4.9 vom 13.3.2018, m.w.H.; vgl. zur dieser Thematik auch Urteil 5A_553/2018, E. 6.1 vom 2.10.2018; aus prozessualen Gründen wurde hier die Frage einer gesonderten Betrachtung des wegen Drittbetreuungskosten eklatant unterschiedlichen Barbedarfs von Halbgeschwistern nicht weiterverfolgt).

2.3.3 Vorgehen: Der Betreuungsunterhalt bemisst sich – entsprechend der Lebenshaltungskostenmethode – nach der Differenz zwischen dem familienrechtlichen Grundbedarf und dem Einkommen des betreuenden Elternteils (vgl. BGE 144 III 377, E. 7).

2.3.4 Relevante Betreuung: Nur Betreuung, die eine Erwerbstätigkeit beeinträchtigt, ist für den Betreuungsunterhalt relevant, nicht aber – Ausnahmen vorbehalten – die Betreuung an Wochenenden oder die Betreuung im Rahmen eines „üblichen“ Besuchsrechts. Hingegen wirkt sich zusätzliche Betreuung des anderen Elternteils nicht im Rahmen des Betreuungsunterhalts aus, sondern allenfalls bei der Verteilung der Barkosten (BGE 144 III 377, E. 7.1.3). Entsprechend kann auch bei beidseitiger Erwerbstätigkeit der Eltern und je hälftigen Betreuungsanteilen u.U. – je nach Einkommen – ein Betreuungsunterhalt geschuldet sein (Urteil 5A_968/2017, E. 3.1.1 vom 25.9.2018; Urteil 5A_743/2017, E. 5.4.4 vom 22.5.2019). Vgl. zur Thematik der relevanten Betreuung: Spycher/Maier, S. 261 ff, wo das Urteil 5A_503/2020 vom 16.12.2020 und die Frage behandelt wird, ob der Betreuungsunterhalt nur dann geschuldet ist, wenn der während den „möglichen Erwerbszeiten“ tatsächlich betreuende Elternteil nur gerade wegen der Betreuung des Kindes eine Einkommenseinbusse erleidet – und das Kind somit Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat – oder der Betreuungsunterhalt auch dann geschuldet ist, wenn ein anderer Grund (wie z.B. Teilinvalidität) für den Einkommensausfall vorbesteht.

2.3.5 Bedarfsniveau: Gemäss Bundesgericht ist zur Ermittlung der massgebenden Lebenshaltungskosten vom familienrechtlichen Grundbedarf des betreuenden Elternteils auszugehen und es sind die entsprechenden Zuschläge beim betreibungsrechtlichen Existenzminimum vorzunehmen (BGE 144 III 377, E. 7.1.4); nur bei völligem Ungenügen der Mittel kann ausnahmsweise vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum ausgegangen werden (Urteil 5A_880/2018, E. 5.3.1 vom 5.4.2019. Nicht von Belang ist das Einkommen des Zahlungspflichtigen (a.a.O.).

2.3.6 Anrechenbares Einkommen: Das Bundesgericht steht der Idee einer Vorabzuteilung von Einkommen bereits im Rahmen der Einkommensermittlung generell ablehnend gegenüber (BGE 147 III 265, E.7.1). Zur Vorabzuteilung allgemein und insbes. im Rahmen der Überschussverteilung hinten, Ziff. 3.5.2. Weiter hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Beurteilung der Leistungsfähigkeit bzw. des effektiven und hypothetischen Einkommens keinesfalls unterschiedlich erfolgt, je nachdem, ob Bar- oder Betreuungsunterhalt in Frage steht (Urteil 5A_569/2021, E. 2.1.3.1 vom 17.6.2022). Das Einkommen ist im Rahmen einer Gesamtrechnung einmal zu berechnen.

2.3.7 Handhabung in den Berechnungsblättern: Die Faktoren werden in jedem Fall pro Person (und nicht teilweise als Gesamt-Kostenblock) aufgelistet (Hauptblatt). (Für eine spezifische, teilweise Ausnahme siehe vorne, Kapitel 1.1 «Gestaltung und Struktur der Tabellen»).

Nach Schaffung des Überblicks über Einkommen und Bedarf/Kosten pro beteiligte Person erfolgt eine teilweise Umverteilung von Lebenshaltungskosten des hauptbetreuenden Elternteils auf die am Betreuungsunterhalt berechtigten Kinder. Dies ist im System standardmässig so eingestellt, muss aber im Einzelfall nachgeprüft werden. Der Betreuungsunterhalt lässt sich entsprechend für alle Kinder – unabhängig vom Zivilstand der Eltern – ermitteln. Gleichzeitig bzw. parallel dazu kann auch ehelicher/nachehelicher Unterhalt, soweit relevant, in Abhängigkeit vom Unterhalt der Kinder festgelegt werden.

2.4 Insbesondere ehelicher und nachehelicher Unterhalt

2.4.1 Berechnungsmethode: Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kommt sowohl für die Berechnung des ehelichen Unterhalts (BGE 147 III 301, E. 4) als auch für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts (BGE 147 III 293, E. 4) – wie für die Bemessung des Kindesunterhalts – grundsätzlich die zweistufige Berechnungsmethode mit Überschussverteilung zur Anwendung (siehe vorne Kapitel 2.1). Demzufolge wird in einem ersten Schritt das Einkommen der Ehegatten und gegebenenfalls jenes der Kinder ermittelt. In einem zweiten Schritt wird der Bedarf aller Beteiligten, d.h. wiederum je einzeln der Ehegatten und der Kinder, festgelegt. Im Rahmen der Festlegung des Bedarfs ist zunächst das betreibungsrechtliche Existenzminimum grundsätzlich anhand der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG vom 1. Juli 2009 zu ermitteln. Wenn dieses bei allen Beteiligten gedeckt ist, ist deren Bedarf – bei genügend vorhandenen finanziellen Mitteln – auf das familienrechtliche Existenzminimum aufzustocken. Bei den Ehegatten sind im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums zusätzlich zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum die folgenden Bedarfspositionen hinzuzurechnen: Versicherungsprämien (Prämien für private Zusatzversicherungen gemäss VVG, Beiträge für die Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung, evtl. Beiträge an die Haftpflichtversicherung des Motorfahrzeughalters, evtl. Lebensversicherungsprämien, Vorsorgeunterhalt, private Vorsorge Selbstständiger), die laufenden Steuern (Einkommenssteuer des Bundes, des Kantons sowie der Gemeinde, die Vermögenssteuer des Kantons und der Gemeinde, evtl. auch Kirchensteuer), Schulden (Amortisation und Zinsen, wie bspw. Zinse und Ratenzahlungen für Kreditgeschäfte, welche beide Parteien betreffen; Unterhaltsschulden), die Kommunikationspauschale/Versicherungspauschale, die unumgänglichen Weiterbildungskosten, die erhöhten Wohnkosten, die Besuchsrechtskosten. Fixe Zuschläge zum Bedarf (wie in Form der früher tw. üblichen Erhöhung des Grundbetrages um 20%) sind unzulässig. Ebenso werden z.B. die Kosten für Hobbies oder Ferien nicht hinzugerechnet, sondern sind aus dem Überschuss zu decken.

In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass die SchKG-Richtlinien, welche mit Blick auf die Unterhaltsberechnung des Bedarfs heranzuziehen sind, letztmals per 1.7.2009 revidiert wurden und zudem primär einem von familienrechtlichen Überlegungen leicht abweichenden Zweck dienen. Es ist fraglich, ob gewisse Positionen heute noch angemessen bewertet sind, so insbesondere die (tiefen) Grundbeträge der Kinder. Weiter sind in den SchKG-Richtlinien bei den Wohnnebenkosten oder den unumgänglichen Berufsauslagen Maximalbeträge vorgegeben, von denen in unterhaltsrechtlichen Angelegenheiten nach oben abgewichen werden soll, wenn höhere Auslagen belegt sind. Schliesslich sind gewisse weitere Positionen bei der Unterhaltsberechnung einzubeziehen, die in den SchKG-Richtlinien nicht erwähnt sind, insbesondere Drittbetreuungskosten für Kinder, während umgekehrt manche in den SchKG-Richtlinien erwähnte Positionen nicht im Rahmen der Unterhaltsberechnung tel quel miteinbezogen werden, wie insbes. die „rechtlich geschuldeten Unterhaltsbeiträge“, bei denen insbesondere die Rangthematik im Auge zu behalten ist.

Soweit die vorhandenen finanziellen Mittel (= Gesamteinkommen) die familienrechtlichen Existenzminima (= Gesamtbedarf) übersteigen, ist der Überschuss nach Abzug einer nachgewiesenen Sparquote zu verteilen (vgl. dazu BGE 147 III 265, E. 7.2). Allenfalls kann bzw. muss im Rahmen der Überschussverteilung auch das Thema der Vorabzuteilung aufgenommen werden und die Verteilung deshalb abweichend von den „üblichen“ Vorgaben erfolgen; dies insbesondere, damit dem erbrachten Naturalunterhalt Rechnung getragen wird, und vor allem bei nicht verheirateten Eltern (zwingende Zuweisung des vom hauptbetreuenden Elternteil selbst erzielten Überschusses an ihn; vgl. Bähler, in: in dubio 4/2021, 6 ff, 15).

Die Anwendung der einstufig-konkreten Berechnungsmethode ist die Ausnahme und soll nur für aussergewöhnlich günstige Verhältnisse in Frage kommen. Sie muss überdies im Unterhaltsentscheid begründet werden, bzw. es muss dargelegt werden, weshalb von der zweistufigen Methode abgewichen wird (BGE 147 III 293, E. 4.5; BGE 147 III 301, E. 4.3). Dabei stellt sich die Frage, ab welcher Schwelle aussergewöhnlich gute Verhältnisse vorliegen. Weiter ist offen, ob bei Vorliegen von Verhältnissen, in welchen ausnahmsweise die einstufig-konkrete Methode für die Berechnung des nachehelichen bzw. ehelichen Unterhalts Anwendung findet, auch für die Berechnung des Kindesunterhalts in gleicher Weise erfolgt, was u.E. der Fall sein sollte, da die parallele Anwendung zweier unterschiedlicher Methoden doch nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten bereitet.

2.4.2 Lebensprägende Ehe: In BGE 147 III 249 ist das Bundesgericht von seiner Rechtsprechung zur lebensprägenden Ehe insofern abgewichen, als es die bisher für eine lebensprägende Ehe sprechenden Vermutungen, also mindestens 10-jährige Ehe oder während der Ehe geborene Kinder, relativiert hat. Mit Blick auf die Frage, ob eine lebensprägende Ehe vorliegt oder nicht, betont das Bundesgericht die Bedeutung einer einzelfallweisen Prüfung. So erwog es in BGE 147 III 249, E. 3.4.2, dass eine knapp 10-jährige, kinderlose Ehe, bei welcher die Ehegatten aus beruflichen Gründen nur kurzzeitig zusammengelebt haben und keine eigentliche Rollenverteilung zwischen den Ehegatten bestand, nicht lebensprägend ist. Von einer lebensprägenden Ehe ist gemäss Bundesgericht dann auszugehen, wenn ein Ehegatte seine ökonomische Selbstständigkeit zugunsten der Haushaltsbesorgung und der Kinderbetreuung aufgegebenen hat und es ihm deshalb nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, an seiner früheren beruflichen Stellung anzuknüpfen, während sich der andere Ehegatte aufgrund der Rollenverteilung auf sein berufliches Fortkommen fokussieren konnte (BGE 147 III 249, E. 3.4.3; vgl. dazu auch Urteil 5A_568/2021, E. 4.2 vom 5.3.2022). Mit Blick auf die Frage nach der Zumutbarkeit der Wiederaufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbsarbeit hielt das Bundesgericht fest, dass es nicht willkürlich sei, wenn bei einer 20 Jahre dauernden kinderlosen Ehe die von beiden Ehegatten gewollte Teilzeittätigkeit der Ehefrau, die jahrelange «klassische» Rollenteilung, das fortgeschrittene Alter der Ehefrau und die ausserordentlich guten finanziellen Verhältnisse der Ehegatten als Kriterien berücksichtigt würden. Es sei deshalb nicht unhaltbar, die Notwendigkeit einer sofortigen Änderung im Erwerbsumfeld der Ehefrau zu verneinen und der Ehefrau erst im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine Umstellung zuzumuten (Urteil 5A_850/2020, E. 4.3 vom 4.7.2022).

Im Urteil 5A_665/2020, E. 4.3 vom 8.7.2021 hat das Bundesgericht die zwei Jahre dauernde Ehe, als lebensprägend angesehen, da die Ehegatten ein gemeinsames Kind hatten, welches einen Monat vor der Eheschliessung zur Welt gekommen war, und die Ehefrau ihr Erwerbspensum wegen der Betreuung des Kindes reduziert hatte. Im Urteil 5A_93/2019, E. 5.2 vom 13.9.2021 hat sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Lebensprägung zufolge eines vorehelichen Konkubinats bejaht werden kann. Es hielt fest, dass auch ein stabiles Konkubinat nur in eng begrenzten und qualifizierten Ausnahmefällen für die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs relevant sei: Das voreheliche Zusammenleben muss das Leben der Ehegatten dauerhaft so sehr prägen, dass die Eheschliessung als Bestätigung der bereits übernommenen Verantwortung und des bestehenden Vertrauens angesehen werden kann. Dies sei bspw. dann der Fall, wenn der eine Lebenspartner bereits vor der Eheschliessung auf die berufliche Selbstverwirklichung verzichtet hat, und die wirtschaftliche Entfaltung des anderen Ehegatten dadurch entscheidend gefördert bzw. sogar erst ermöglicht hat, da er sich um die Betreuung der Kinder kümmerte. Im Urteil 5A_568/2021, E. 4 vom 25.3.2022 entschied das Bundesgericht, dass die Ehe der Parteien, welche bis zur Trennung drei Jahre dauerte, trotz der Geburt des gemeinsamen Kindes ein Jahr vor der Trennung und der danach gelebten «klassischen» Rollenteilung als nicht lebensprägend anzusehen sei. Es erwog unter anderem, dass eine Rollenteilung zwischen den Ehegatten von lediglich einem Jahr, derart kurz sei, dass sie für sich genommen keinen unumkehrbaren Einfluss auf die Situation der Ehefrau genommen habe, weshalb die Ehefrau (noch) nicht in den in den Fortbestand der Aufgabenteilung vertrauen durfte (Urteil 5A_568/2021, E. 4.3.2 vom 5.3.2022). Im Urteil 5A_510/2021, E. 3.1.3 vom 14.6.2022 wurde festgehalten, dass die Frage nach der Lebensprägung einer Ehe nicht etwa von der Art des Berufs und von der beruflichen Position des Unterhaltsschuldners abhängig sei. Im vorliegenden Fall wurde die Ehe mit einer Dauer von 24 Jahren – die Kinder waren bereits volljährig – als lebensprägend qualifiziert.

2.4.3 Eigenversorgung/Erwerbsobliegenheit: Unterhaltsbeiträge sind nur geschuldet, wenn der eigene Unterhalt nicht oder nicht vollständig durch Eigenleistung gedeckt werden kann (BGE 147 III 308). Damit brachte das Bundesgericht bestimmter als früher  zum Ausdruck, dass einem Ehegatten eine Erwerbstätigkeit, die tatsächlich möglich ist, in den meisten Fällen auch zumutbar ist, bzw. dass jeder Ehegatte im nachehelichen Verhältnis die wirtschaftliche Eigenständigkeit anzustreben hat (BGE 147 III 308, E. 5.4). Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass die bisherige «45-er Regel» (wonach einer Person, die während der Ehe nicht erwerbstätig war und das 45. Altersjahr erreicht hatte, nach der Scheidung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei) in ihrer Absolutheit nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entspreche und deshalb nicht mehr anwendbar sei (BGE 147 III 308, E. 5.5).

Ob Erwerbstätigkeit tatsächlich möglich ist, ist einzelfallweise zu prüfen. Dabei sind insbesondere das Alter und die Gesundheit der Ehegatten, die sprachlichen Kenntnisse, die bisherigen und künftigen Aus- und Weiterbildungen, die bisherigen Tätigkeiten, die persönliche und geographische Flexibilität und die Lage auf dem Arbeitsmarkt als Kriterien für die Beurteilung massgebend. Das Kriterium des Alters bleibt relevant und wichtig, doch kommt ihm keine von den anderen Kriterien losgelöste abstrakte Bedeutung (mehr) zu (BGE 147 III 308, E. 5.4). Die Eigenversorgung ist etwa dann unzumutbar, wenn ein Ehegatte bei der Scheidung nahe am Pensionsalter steht; weiter, wenn die Ehe aufgrund diverser Faktoren das Leben eines Ehegatten in entscheidender Weise geprägt hat, indem dieser Ehegatte auf die (Weiter-)Verfolgung eines eigenen beruflichen Werdegangs verzichtet und sich stattdessen aufgrund eines gemeinsam getroffenen Entschlusses jahrelang dem Haushalt sowie der Betreuung und Erziehung der Kinder gewidmet hat, sodass sich der andere Ehegatte ungeteilt dem beruflichen Fortkommen und der damit verbundenen Steigerung seines Einkommens widmen konnte, und dieses Einkommen ohne Weiteres die Finanzierung zweier Haushalte zulässt (BGE 147 III 308, E. 5.6; vgl. dazu auch Urteil 5A_747/2020, E. 4.3.3 vom 29.6.2021; vgl. dazu auch BGE 147 III 249, E. 3.4.4). Vgl. weiter zur Unzumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit: Urteil 5A_568/2021, E. 4.3.2 vom 5.3.2022, wonach der Ehefrau die Aufnahme einer 100%igen Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit als Zahnarzthelferin zwar seit 20 Jahren wieder aufgenommen hatte, aber die Eheleute während der Ehe vereinbart hatten, dass die Ehefrau nur in Teilzeit erwerbstätig war und einen überwiegenden Teil der Hausarbeit übernahm, was bis zur Trennung beibehalten wurde; der Ehemann hingegen während der Ehe seine beruflichen Fähigkeiten voll ausschöpfen konnte und entsprechend voll erwerbstätig war.

Des Weiteren sind die konkreten Chancen, in einem bestimmten Bereich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, massgebend. Das frühere Tätigkeitsfeld ist nicht zwingend ausschlaggebend, zumal «zur Zeit das Aus-, Um- und Weiterbildungsangebot in der Schweiz gross und vielfältig ist» (BGE 147 III 249, E. 3.4.4). Die Kosten für die Verbesserung der  Eigenversorgungskapazität (z. B. für Französischunterricht) können Teil des geschuldeten Unterhalts sein (BGE 147 III 308, E. 5.4; Urteil 5A_850/2020, E. 3.4 vom 4.7.2022).

2.5 Insbesondere Volljährigenunterhalt

2.5.1 Rangfolge auf Gläubigerseite: Soweit die vorhandenen finanziellen Mittel nicht ausreichen, um sämtliche Unterhaltsansprüche aller Unterhaltsgläubiger zu decken, stellt sich die Frage, wie die einzelnen Unterhaltsansprüche mit Blick auf die Rangfolge zueinanderstehen. Gemäss Art. 276a Abs. 1 ZGB hat der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Vorrang vor allen anderen Unterhaltspflichten und somit auch gegenüber dem Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes. Nach Deckung des Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Kindes kommt der nacheheliche bzw. eheliche Unterhaltsanspruch zum Zug (vgl. BGE 147 III 265, E. 7.3; BGE 146 III 169, E. 2.2, E. 4; BGE 132 III 209, E. 3.2; vgl. zur Rangfolge zwischen den Unterhaltsansprüchen: Nyffeler, in: Jusletter 25. November 2019). Das Bundesgericht hielt in BGE 147 III 265, E. 7.3 fest, dass der Volljährigenunterhalt – unter Vorbehalt von Art. 276a Abs. 2 ZGB – nicht nur hinter dem betreibungsrechtlichen, sondern auch hinter dem familienrechtlichen Existenzminimum der übrigen Unterhaltsgläubiger zurückstehen muss. Der Vorrang des Minderjährigenunterhalts vor dem Volljährigenunterhalt greift allerdings nur soweit, als es sich um die Deckung der familienrechtlichen Existenzminima handelt. Sobald die familienrechtlichen Existenzminima gedeckt sind, ist aus den verbleibenden finanziellen Mitteln vorab der Unterhalt des volljährigen Kindes bis zum relevanten Bedarf (siehe unten) zu bestreiten (Urteil 5A_1035/2020, E. 3.3.7 vom 31.1.2022).

2.5.2 Rangfolge auf Schuldnerseite: Einem Volljährigen kann grundsätzlich kein Naturalunterhalt mehr erbracht werden. Entsprechend ist der Volljährigenunterhalt (Barunterhalt) zwischen den Eltern nach ihrer Leistungsfähigkeit aufzuteilen (Urteil 5A_1032/2019, E. 5.4.2 vom 9.6.2020).

2.5.3 Berechnung: Auch für die Berechnung des Volljährigenunterhalts ist die zweistufige Methode mit Überschussverteilung anwendbar (vgl. dazu BGE 147 III 265, E. 6). Neu ist auch im Rahmen des Volljährigenunterhalts den unterhaltpflichtigen Eltern das familienrechtliche Existenzminimum zu belassen; der frühere «20%-Zuschlag» entfällt. Nachdem der Volljährigenunterhalt gedeckt ist, wird der Überschuss auf die übrigen berechtigten Familienmitglieder – mit Ausnahme des volljährigen Kindes – aufgeteilt (BGE 147 III 265, E. 7.3; Urteil 5A_1035/2020, E. 3.3.7 vom 31.1.2022). Zur Kritik an dieser Praxis siehe insbes. Aeschlimann/Bähler/Schweighauser/Stoll, in: FamPra.ch 2/2021, 251 ff, 280 f).

2.6 Kompatibilität der Berechnungsblätter mit der neuen Rechtsprechung

Die aktuellen Berechnungstabellen sind umfassend überarbeitet und den gesetzlichen Vorgaben sowie – wo nötig – insbesondere der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung angepasst. Es ist Sache der Anwenderinnen und Anwender, im Einzelfall jeweils sorgfältig nachzuprüfen, ob das Resultat der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, da mit den Tabellen nicht alle denkbaren Fälle abgebildet werden können.

3 Kommentar zu weiteren ausgewählten Themen der Unterhaltsberechnung

Die Reihenfolge der Themen im vorliegenden Kommentar folgt grundsätzlich der Struktur der Tabellen.

Die Ausführungen sind bewusst knapp gehalten. Für weitere Erläuterungen wird auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Siehe insbesondere Hausheer/Spycher (Hrsg.), Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl., Bern 2010, und 3. Aufl., erscheint voraussichtlich im Dezember 2022; nachfolgend zit. Autor/in (bezogen auf jeweiliges Kapitel), Handbuch, Rz. x.y. und Fankhauser Roland (Hrsg.), FamKomm Scheidung, 4. Aufl., Bern 2022.

Zur «Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums» bzw. des familienrechtlichen Grundbedarfs als konkrete Unterhaltsberechnung durch Gegenüberstellung von Gesamtbedarf und Gesamteinkommen mit anschliessender Überschussteilung siehe grundsätzlich Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 02.27 ff; zur Überschussteilung BGE 147 III 265, E. 7; BGE 147 III 293, E. 4; BGE 140 III 485, E. 3; BGE 126 III 8, E. 3a; Urteil 5A_390/2018, E. 3.3 vom 29.5.2019; Urteil 5A_181/2017, E. 3.4 vom 27.9.2017; Urteil 5A_122/2011, E. 5 vom 9.6.2011).

Die gleichzeitige Berechnung der Ansprüche von Unterhaltsgläubigern mit unterschiedlichem Rang (Art. 276a ZGB) ist unproblematisch, solange nur (bei ungenügenden Mitteln) die korrekte Rangfolge bei der allfälligen Kürzung beachtet wird.

Wertungsfragen: Die Tabellen sind ein Hilfsmittel zur Vereinfachung der Unterhaltsberechnung. Ihre korrekte Anwendung setzt nebst der technisch richtigen Bedienung voraus, dass die Anwenderin/der Anwender die rechtlichen Grundlagen kennt. Die einzusetzenden Zahlen beruhen meist auf Wertungen, welche durch die Anwenderinnen/Anwender vorgängig zum Einsetzen vorzunehmen sind.

Die Tabellen erleichtern gewisse Vorgänge dadurch, dass sie Vorgaben bzw. «Voreinstellungen» enthalten, welche bei Anklicken einer Schaltfläche oder bei Eingabe von «j» oder «n» übernommen werden. Die Entscheidung darüber, ob die Vorgaben zutreffen oder nicht, obliegt aber jederzeit dem Anwender/der Anwenderin. Im Kommentar wird mit dem Begriff «Wertungsfrage» oder «Wertung» nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen. Die Herausgeber der Tabellen übernehmen entsprechend keine Verantwortung für die mittels der Tabellen von den Anwendern/Anwenderinnen ermittelten Resultate.

3.1 Allgemeine Angaben (Hauptblatt)

3.1.1 Das korrekte Einfügen der allgemeinen Angaben ist für das richtige Funktionieren der Berechnungen unabdingbar. Vor dem Start der Rechnung ist sicherzustellen, dass die Bearbeitung und Makros sowie die iterative Berechnung «aktiviert» wurden.

3.1.2 Die Tabellen sind in deutscher und französischer Sprache verfügbar, d.h. die Sprache kann auf der jeweils verwendeten Tabelle eingestellt werden (anzugeben in Tabelle 11, und 15 im Hauptblatt, unter «Sprache/langue (d/f)», ganz oben Mitte; Tabelle 16: auf dem Blatt Unterhalt; Tabelle 17: auf dem einzigen Blatt).

3.1.3 Angabe des Zivilstandes (unter Hauptblatt, «verheiratet/geschieden» (j/n), ganz oben Mitte): Sie bestimmt die Vorgaben/Voreinstelllungen, welche in der Berechnung gemacht werden (konkret: Wegfall des Kopfanteils des hauptbetreuenden Elternteils (n2) bei der Überschussverteilung und Verschieben eines allfälligen Überschusses in den Betreuungsunterhalt; beides, wenn «nein»). In begründeten Fällen können bzw. sollen die Vorgaben aber anders gehandhabt werden (siehe oben, Ziff. 3, Thema „Wertungsfragen“).

3.1.4 Im Jahr der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ist die Angabe des Trennungsdatums (unter Hauptblatt, «Trennungsdatum», ganz oben rechts) aus steuerlichen Gründen wichtig (dazu Bähler, Handbuch, Rz. 12.26, 12.32 ff).

3.1.5 Es können neben den Eltern bis zu vier Kinder in Tabelle 11 (bis zu drei in Tabelle 15) eingesetzt werden. Es wird unbedingt empfohlen, die Bezeichnungen «Name 1» oder «1. Kind» usw. durch die Vornamen der Kinder zu ersetzen.

3.1.6 Die Angabe des Jahrgangs ist insbesondere für die Kinder zwingend. (Für Erwachsene ist die Angabe dort zwingend, wo Vorsorgeunterhalt zu berechnen ist; betrifft nur den wirtschaftlich schwächeren Elternteil). Volljährige Kinder können bei der Tabelle 11 ebenfalls in die Berechnung aufgenommen werden. Die Steuerangaben müssen aber besonders sorgfältig überprüft werden. Alternativ bzw. bei der Tabelle 15 sind sie nicht in die Berechnung aufzunehmen. Ihr Unterhalt ist separat festzusetzen und als «Unterhaltsbeitrag an Dritte» einzusetzen. In diesen Fällen ist allenfalls zusätzlich beim Einkommen noch die Zeile «Familienzulagen volljährige und andere Kinder» auszufüllen.

3.1.7 Die Angabe des Wohnsitzkantons ist vorab für die Steuerberechnung (sowie für Familienzulagen und Kommunikationspauschale) relevant. Diese ist aktuell verfügbar für die dB sowie neun Kantone (BE, ZH, LU, FR, SO, BS, BL, SG, AG), Stand per April 2020. Punktuelle Aktualisierungen per April 2022 wurden insbesondere für BE und LU vorgenommen. Vgl. Kommentar Steuerberechnungen, Abschnitt 3 a.E. Erfahrene Anwenderinnen können für die genannten Kantone nötige Anpassungen in den Blättern „Grundlagen“ und „Tarife“ selber vornehmen. Für andere Kantone ist die Berechnung gemäss Erläuterungen von Daniel Bähler im Aufsatz «Unterhaltsberechnungen – Von der Methode zu den Franken»; in: FamPra.ch 2015, 271 ff, 319 ff vorzunehmen. Für den Kanton AR ist die Übernahme gewisser Faktoren (namentlich Steuerabzüge) möglich. Die Steuerberechnung ist auf Null gestellt, die Anwenderin hat die „Behelfsmethode“ gemäss vorerwähntem Aufsatz zu verwenden. Falsch wäre hingegen für diese anderen Kantone die Angabe der Kantonsabkürzung, da die Berechnung dann automatisch auf den im Alphabet nächstliegenden Kanton, dessen Steuerberechnung von den Tabellen gestützt wird, «zurückgreifen» würde.

3.1.8 Bejaht man «Wohngemeinschaft», wird automatisch die Frage nach dem angemessenen Grundbetrag aufgeworfen (Wertungsfrage). Weiter wird ein reduzierter Betrag für Kommunikation und Versicherung eingesetzt. Gegebenenfalls ist eine Korrektur erforderlich (insbes. Scheidungssituation).

Die Angaben zum Einkommen bei voller Erwerbstätigkeit und zum Beschäftigungsgrad sind optional. Sie können die Berechnung für spätere Jahre bei Ausdehnung der Erwerbstätigkeit berechnet in Prozenten erleichtern.

Betr. Familienzulagen siehe Ziff. 3.2.10 unten. 3.1.9 Sparquote: Sie kann hier eingesetzt werden, sofern sie auch nach der Trennung weiterbesteht (nur Tabelle 11). Unter Hauptblatt, «Sparquote (Betrag)», links oben in den allg. Angaben wird die gesamte Sparquote angegeben. Das System teilt diese (gemäss Grundeinstellung vorgegeben) entsprechend dem Verhältnis der Nettoeinkommen der Parteien (ersichtlich in Prozentangaben, direkt unter dem Total der Einkommen) auf die Parteien auf; manuell können Anpassungen vorgenommen werden (Wertungsfrage). Mit überzeugender Begründung befürwortend hinsichtlich der proportionalen Zuweisung der Sparquote an beide Ehegatten bzw. Eltern FamKomm/Schweighauser, N 26 zu Art. 285 ZGB.

3.2 Verfügbare Mittel/Einkommen

3.2.1 Regelfall: Monatliches Nettoeinkommen (d.h. Bruttoeinkommen nach Abzug AHV/IV/EO/ALV, Beiträge Arbeitnehmer an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, Beiträge Arbeitnehmer für obligatorische Unfallversicherung, ggf. für Krankentaggeldversicherung). Andere Abzüge (z.B. für Krankenkassenprämien oder beim Arbeitgeber bezogene Mahlzeiten) sind (auch mit Blick auf die steuerliche Situation) aufzurechnen, ggf. dann aber im Bedarf wieder zu berücksichtigen. Im Lohnausweis erscheinende Zusatzleistungen des Arbeitgebers sind einzurechnen, ggf. aber ebenfalls wiederum bei den Auslagen zu berücksichtigen.

3.2.2 Zulagen, welche einem auf Dauer nicht zumutbaren Sondereinsatz entstammen, sind für die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen nach der Scheidung nicht zu berücksichtigen (so Urteil 5A_816/2014, E. 2.3, 2.4 vom 3.3.2015; Urteil 5D_40/2009, E. 4.2 vom 9.4.2009; Urteil 5P.169/2001, E. 2c vom 28.6.2001). Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit einer Leistung ist ein Vergleich mit dem vom anderen Ehegatten verlangten Einsatz vorzunehmen (vgl. Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.73, 2. Absatz, Rz. 01.35; Entscheid OGer BE ZK 2019 158, E. 5.2.3 vom 31.5.2019). Anderes gilt selbstverständlich für die üblichen Zulagen (für Schicht-, Nachtarbeit u.ä.).

3.2.3 Bei unregelmässigem Einkommen ist vom Einkommen einer repräsentativen Periode (i.d.R. mindestens 6 Monate) auszugehen.

3.2.4 Bei Arbeitslosigkeit ist das ALV-Taggeld netto x 21.7 (durchschnittliche Anzahl Arbeitstage pro Monat) zu rechnen.

3.2.5 Ein 13. Monatslohn ist ungeachtet der Auszahlungsweise pro rata zum Monatseinkommen hinzuzurechnen (Urteil 5A_454/2010, E. 3.2 vom 27.8.2010; Urteil 5C.99/2004, E. 3 vom 7.6.2004; Urteil 5P.172/2002, E. 2.2 vom 6.6.2002), wobei zu berücksichtigen ist, dass Pensionskassenbeiträge in der Regel nur von den regulären Monatslöhnen abgezogen werden. Die automatische Berechnung von 1/12 eines Monatslohns ist deshalb ggf. zu korrigieren.

3.2.6 Boni und ähnliche Prämien: Soweit es sich um regelmässig ausgerichtete Boni bzw. Prämien handelt, besteht aus arbeitsrechtlicher Sicht ein Rechtsanspruch darauf (vgl. dazu Urteil 5A_375/2020, E. 3.2.1 vom 1.10.2020; Urteil 5A_627/2019, E. 4.2 vom 9.4.2020). Zur Unterscheidung zwischen (freiwillig bleibender; im Vergleich zum ordentlichen Lohn zweitrangiger) Gratifikation und Lohnbestandteil vgl. BGE 142 III 381, E. 2.1, 2.2; Urteil 4A_215/2018, E. 3.1.2 vom 25.7.2018; Urteil 4A_216/2017, E. 3.1 vom 23.6.2017. Die arbeitsrechtliche Qualifikation ist für die familienrechtliche Sichtweise (Leistungsfähigkeit) zwar grundsätzlich zu beachten. Dies bedeutet indessen nicht, dass der Arbeitnehmer gleichsam aus familienrechtlichen Überlegungen dazu gezwungen werden kann oder soll, eine arbeitsrechtliche Streitigkeit zu führen. Betreffend Höhe ist auf den Durchschnitt vergangener Perioden abzustellen, es sei denn, es ergebe sich eine klar steigende oder klar sinkende Tendenz. Ob der Einbezug in die Unterhaltsbeiträge analog zum 13. Monatslohn erfolgt oder ob ein separater Überweisungsmodus gewählt wird, hängt insbesondere von der Höhe des Bonus im Vergleich zum Grundeinkommen ab (Stichwort Liquidität des Schuldners). Bei separater Überweisung ist der entsprechende Informationsfluss sicherzustellen. Aus steuerlichen Gründen empfiehlt sich auch bei separater Ausrichtung ein Einrechnen entsprechend dem Resultat der vorgesehenen Teilung auf Seiten des Leistenden und des Empfängers. Damit es nicht zu einer Verdopplung von Faktoren kommt, ist dieser Bestandteil alsdann beim Einkommen in einer noch leeren Zeile (zu verwenden ist eine der bestehenden leeren Zeilen vor dem Total) wieder herauszurechnen.

3.2.7 Ermittlung des Einkommens bei selbständiger Erwerbstätigkeit: vgl. Ziff. 3.3.

3.2.8 Einfügen unter Zusatzeinkommen (oder in weiteren Zeilen): Einfügen von anderem Einkommen (d.h. ausserhalb des ordentlichen Lohnes) beim gleichen Arbeitgeber, z.B. Naturaleinkommen, Gratifikationen, Provisionen, Trinkgelder, freiwillige Familienzulagen eines Arbeitgebers.

3.2.9 Nebenerwerbseinkommen: Hier ist einzusetzen, was gemäss steuerrechtlicher Qualifikation Nebenerwerbseinkommen darstellt (relevant für zulässige Abzüge). Im Vergleich zum Zusatzeinkommen bestehen Abweichungen bei der Berechnung der Berufskosten.

3.2.10 Familienzulagen nach FamZG sind als Einkommen des Kindes einzusetzen (vgl. dazu Urteil 5A_743/2017, E. 5.2.3 vom 22.5.2022; Urteil 5A_632/2018, E. 5 vom 21.1.2019). Andere Zulagen «für Kinder», welche vom Arbeitgeber freiwillig ausgerichtet werden, sind näher darauf zu prüfen, ob sie dem Kind oder dem beziehenden Elternteil anzurechnen sind (Bsp. Betreuungszulage Kt. Bern ist als Zusatzeinkommen, siehe oben Ziff. 3.2.8, dem Elternteil anzurechnen, der die Kinder betreut). Wird das Einkommen eines Elternteils anhand seines Lohnausweises ermittelt, müssen die von ihm bezogenen, bei den Kindern einzusetzenden Familienzulagen aus seinem Einkommen „hinausgerechnet“ werden. Die Berechtigung zum Bezug der Familienzulagen richtet sich nach Art. 7 FamZG.

3.2.11 Vermögenserträge sind grundsätzlich als Einkommen anzurechnen (vgl. dazu BGE 147 III 265, E. 7.1), soweit sie erzielt werden. In Bezug auf Kapitalanlagen wird auf Durchschnittswerte abgestellt, wobei allerdings früher als angemessen akzeptierte 1,5%, 2% oder 2,5% angesichts des heutigen Zinsumfeldes überhöht erscheinen, und dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine längerfristige Perspektive ausschlaggebend ist (betr. 2,5% vgl. Urteil 5A_310/2010, E. 5.5.3 vom 19.11.2010). Bei selbstgenutztem Wohneigentum wird i.d.R. kein (fiktiver) Ertrag angerechnet. Demzufolge müsste, wenn das Leben in einer Eigentumswohnung Bestandteil des massgeblichen Unterhaltsniveaus darstellte, auch dem Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit zugestanden werden, Kapital, welches er aus Güterrecht im Rahmen der Scheidung erhält, «ertragslos» in Wohneigentum zu investieren (was ausgabenseitig angesichts der aktuellen Zinssituation vermutlich zu tieferen Wohnkosten führt).

Bei einer selbstgenutzten Liegenschaft mit vermieteter Wohnung ist der Nettoertrag aus der Vermietung einzusetzen. Dieser ergibt sich aus dem Mietertrag abzüglich des auf die vermietete Wohnung entfallenden Kostenanteils an den Gesamtkosten, der auszuscheiden ist. Die verbleibenden Kosten sind als Wohnkosten beim Bedarf einzusetzen.

3.2.12 Weitere Einkommensbestandteile, z.B. Renten, Taggelder o.ä. können in den bestehenden Zellen eingefügt werden.

3.2.13 Pro memoria: Anrechnung von hypothetischem Einkommen

–      Beim nicht oder nur beschränkt erwerbstätigen Ehegatten: Wenn ihm die Erzielung eines zusätzlichen Einkommens aufgrund seiner persönlichen Situation (insbes. Betreuungspflichten, Ausbildung, Dauer eines Erwerbsunterbruchs, Gesundheit usw.) sowie der Situation auf dem Arbeitsmarkt zumutbar ist (Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.52 ff und insb. Rz. 05.87 ff; BGE 143 III 233, E. 3.2; BGE 137 III 118, E. 2.3; Urteil 5A_561/2020, E. 5 vom 3.3.2021; Urteil 5A_340/2018, E. 4 vom 15.1.2019; Urteil 5A_181/2017, E. 4.1 vom 27.9.2017; Urteil 5A_120/2017, E. 5.1 vom 28.6.2017; Urteil 5A_187/2016, E. 2.2.4 vom 30.5.2017). In BGE 127 III 136, E. 2 hat das Bundesgericht von der Ehefrau einen (wohl allzu) raschen Einstieg in eine volle Erwerbstätigkeit verlangt; vgl. als Kontrapunkt dazu das Urteil 5C.100/2002, E. 3 vom 11.7.2002; vgl. dazu auch Urteil 5A_474/2013, E. 4.3 vom 10.12.2013; Urteil 5A_340/2011, E. 5 vom 7.9.2011. Im Zusammenhang mit der Ausnützung der Erwerbskraft der unterhaltspflichtigen Partei im Verhältnis zu minderjährigen Kindern entschied das Bundesgericht auch, dass dem Unterhaltspflichtigen ein hypothetisches Einkommen trotz Erreichung des AHV-Alters anzurechnen ist, da bei der Erwerbskraft des Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zu minderjährigen Kindern besonders hohe Anforderungen zu stellen sind – dies insbesondere bei engen finanziellen Verhältnissen (BGE 147 III 265, E. 7.4; Urteil 5A_549/2019, E. 3.4 vom 18.3.2021; Urteil 5A_403/2019, E. 4.1 vom 12.3.2020; Urteil 5A_806/2016, E. 4 vom 22.2.2017). Vgl. zur Zumutbarkeit der Aufnahme bzw. Wiederaufnahme sowie Ausdehnung der Erwerbsfähigkeit im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung BGE 144 III 481, E. 4.7.6; Urteil 5A_743/2017, E. 5.3.2 vom 22.5.2019; Urteil 5A_931/2017, E. 3.2.2 vom 1.11.2018 sowie Ausführungen unter Ziff. 2.3, Ziff. 2.2 zum Betreuungsunterhalt, Schulstufenmodell.

–      Zur Konstellation, in welcher der erwerbstätige Ehegatte, der sein Erwerbseinkommen (und allenfalls auch sein Arbeitspensum) ohne äusseren Anlass in der Absicht reduziert hat, den Unterhaltsanspruch der anderen Familienmitglieder zu schmälern, sofern die Erzielung eines höheren Einkommens möglich und zumutbar ist (BGE 128 III 4, E. 4). Unter bestimmten Voraussetzungen – Schädigungsabsicht – kann die Anrechnung auch erfolgen, wenn die Einkommensreduktion nicht rückgängig gemacht werden kann (BGE 143 III 233 E. 3.4, wiederum etwas eingeschränkt im Urteil 5A_403/2019, E. 4.1 vom 12.3.2020, nämlich explizit auf Böswilligkeit und auf rechtsmissbräuchliches Handeln). Begnügt sich der Unterhaltspflichtige selbst bei einem unfreiwilligen Stellenwechsel wissentlich mit einer nicht genügend einträglichen Erwerbstätigkeit, hat er sich anrechnen zu lassen, was er unter den gegebenen Umständen zu erwirtschaften vermöchte (Urteil 5A_571/2018, E. 5.1 vom 14.9.2018; Urteil 5A_90/2017, E. 6.2 vom 24.8.2017; Urteil 5A_224/2016, E. 3.3 vom 13.6.2016; Urteil 5A_59/2016, E. 3.2 vom 1.6.2016; Urteil 5A_692/2012, E. 4.3 vom 21.1.2013). Ein hypothetisches Einkommen kann dem Unterhaltspflichtigen sogar bei unverschuldeter Einkommensverminderung angerechnet werden, da er alles in seiner Macht stehende unternehmen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voll ausschöpfen muss, um das erforderliche Erwerbseinkommen zu erzielen (Urteil 5A_403/2019, E. 4.1 vom 12.3.2020; Urteil 5A_1008/2018, E. 5.2.2 vom 28.6.2019; Urteil 5A_340/2018, E. 4 vom 15.1.2019; Urteil 5D_183/2017, E. 4.1 vom 13.6.2018).

–      Hypothetischer Vermögensertrag darf (beidseitig; vgl. Urteil 5A_210/2013, E. 4.3 vom 24.12.2013 m.w.H.; Urteil 5A_1046/2018, E. 5.3 vom 3.5.2019; Urteil 5A_1005/2017, E. 3.1.2 vom 23.8.2018) angerechnet werden, wenn auf Vermögen verzichtet wurde und der Verzicht rückgängig gemacht werden kann (BGE 117 II 16, E. 1b; Urteil 5A_170/2016, E. 4.3.5 vom 1.9.2016; vgl. dazu auch Urteil 5A_34/2015, E. 7 vom 29.6.2015 mit Blick auf die Anrechnung des hypothetischen Einkommens; offen gelassen, ob die Praxis bei irreversibler Entäusserung in bewusster Schädigungsabsicht anzupassen sei, in Urteil 5A_194/2009, E. 2.4 vom 11.5.2009), jedoch u.E. Anwendbarkeit von BGE 143 III 233, E. 3.4 auch in dieser Konstellation (nicht nur für Erwerbseinkommen).

Ein hypothetischer Vermögensertrag ist grundsätzlich dann anzurechnen, wenn das Vermögen ohne oder nur mit einem geringen Ertrag angelegt wurde (Urteil 5A_1005/2017, E. 2.3.8 vom 23.8.2018; Urteil 5A_671/2014, E. 4.2 vom 5.6.2015; Urteil 5A_14/2008, E. 5 vom 28.5.2008; Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.40a).

Auf selbstgenutztem Wohneigentum wird kein fiktiver Ertrag bzw. keine fiktive Eigenkapitalverzinsung angerechnet; vgl. dazu auch Ziff. 3.2.11.

3.2.14 Vermögensverzehr: Die Substanz des Vermögens kann ausnahmsweise angezehrt werden, soweit die anderen Mittel zur Deckung aller Unterhaltsansprüche nicht ausreichen. Ob die Anzehrung des Vermögens zulässig ist, ist einzelfallweise zu entscheiden. Dabei ist die Bedeutung des „anzugreifenden“ Vermögens, seine Funktion und Zusammensetzung  und das Ausmass (Dauer und Umfang des Vermögensverzehrs) sowie das Verhalten, das zur Herabsetzung der Eigenversorgungskapazität geführt hat, massgebend (BGE 147 III 393, E. 6.1.2). Gestützt auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Ehegatten ist es unzulässig, das Vermögen des einen Ehegatten zur Deckung der Unterhaltsansprüche anzuzehren, wenn dies nicht auch vom anderen Ehegatten verlangt wird (BGE 147 III 393, E. 6.1.2). Ein Vermögensverzehr ist grundsätzlich dann zumutbar, wenn die Ehegatten schon bisher ihre Lebenshaltung ganz oder teilweise aus ihrem Vermögen finanziert haben (BGE 147 III 393, E. 6.1.5). Mit Blick auf die Art des Vermögens ist insbesondere die Liquidität des Vermögens von Relevanz. Schwer liquidierbares Vermögen – insbesondere dasjenige Vermögen, welches in die Familienwohnung investiert wurde – kann grundsätzlich nicht angezehrt werden (BGE 147 III 393, E. 6.1.3). Eine prozentuale Anrechnung von für die Altersvorsorge gebildetem Vermögen als Einkommen ist zulässig, wenn die Ehegatten das Rentenalter erreicht haben und die Aufrechterhaltung der gebührenden Lebenshaltung des Berechtigten nicht anders möglich ist (BGE 129 III 7, E. 3; BGE 147 III 393, E. 6.1.7; Urteil 5A_981/2016, E. 3.4 vom 16.10.2017; Urteil 5A_25/2015, E. 3.4.2 vom 5.5.2015; Urteil 5A_279/2013, E. 2.1 vom 10.7.2013; vgl. auch die besondere Konstellation in Urteil 5A_23/2010, E. 6 vom 31.3.2010 für eine Unterhaltsrente nach aArt. 151 ZGB). Nicht zu berücksichtigen ist das Vermögen hingegen dann, wenn es durch Erbanfall erworben oder in die Familienwohnung investiert worden ist. Die Substanz des Vermögens ist grundsätzlich unangreifbar, wenn die Erträge aus Arbeit und Vermögen zur Deckung des Unterhalts ausreichend sind (Urteil 5A_981/2016, E. 3.4 vom 16.10.2017; vgl. auch BGE 147 III 393, E. 6.1.4). Eine verstärkte Inanspruchnahme gilt mit Bezug auf den Unterhaltsanspruch während bestehender Ehe und insbesondere (unabhängig vom Zivilstand) für minderjährige Kinder (Urteil 5P.173/2002, E. 5a vom 29.5.2002, Urteil 5A_687/2011, E. 5.2.1, 5.2.3.2 vom 17.4.2012). Der Umfang des Vermögens hat einerseits Auswirkungen auf den zumutbaren Vermögensverzehr, andererseits steht sie auch im Zusammenhang mit der Höhe des zu deckenden Unterhalts. So kann bei Vorliegen einer Mankosituation sogar dann auf die Ersparnisse zurückgegriffen werden, wenn diese nicht besonderes bedeutend sind (BGE 147 III 393, E. 6.1.6).

3.2.15 Einkommen der Kinder: Familienzulagen siehe oben, Ziff. 3.2.10, Waisenrenten, Zusatzrenten (zu deren Zweck – Erleichterung der Unterhaltspflicht des die Rente beziehenden Elternteils – siehe BGE 134 V 15, E. 2.3.3; vgl. dazu auch  Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.32a); hingegen keine Anrechnung der Hilflosenentschädigung der IV, da diese den Zweck hat, die benötigte Hilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen zu finanzieren und damit nicht direkt dem Unterhalt des Betroffenen dient (BGE 139 III 401, E. 3; vgl. dazu auch Entscheid OGer ZH LE170046, E. 3 vom 23.11.2017, wonach weder eine Hilflosenentschädigung noch ausbezahlte Ergänzungsleistungen als Einkommen angerechnet werden; vgl. zur Anrechnung der Hilflosenentschädigung an den Betreuungsunterhalt: Entscheid AppGer BS ZB.2017.10, E. 6.4.3 vom 14.12.2017; Entscheid KGer SG FO2015/30, FO.2016.1, E. 12 vom 19.12.2017, wonach die dem Kind zukommende Hilflosenentschädigung, die den Betreuungsunterhalt abdeckt, an diesen anzurechnen ist, da damit zumindest ein Teil die vom Kind benötigte und vom betreuenden Elternteil erbrachte Betreuung finanziell abgegolten werde. U.E. trifft dies nur zu, wenn damit nicht Leistungen einer Drittperson finanziert werden (diesfalls sind diese Kosten Auslagen und ist die Hilflosenentschädigung Einkommen des Kindes), und im Rahmen der Betreuung nur, wenn die Situation des Kindes bei der Bestimmung des anrechenbaren Erwerbspensums des betreuenden Elternteils tatsächlich angemessen reduzierend berücksichtigt wurde. 

Anrechnung von Lehrlingslohn unter Vorabzug eines (untechnisch gesprochen) «Betrags zur freien Verfügung» (vgl. dazu die Vorabzuteilung: Ziff. 3.5.2, letzterer häufig im Umfang von 1/3; Urteil 5A_664/2015, E. 4 vom 25.1.2016; Urteil 5C.106/2004, E. 3.4 vom 5.7.2004; vgl. zur Anrechnung des Erwerbseinkommens des Kindes an den Barunterhaltsbeitrag: Urteil 5A_727/2018, E. 5 vom 22.8.2019, wonach das Kind sein Einkommen nicht vollumfänglich zur Deckung seines Barbedarfs verwenden muss. Vielmehr ist ein solches Einkommen gemäss Art. 285 Abs. 1 ZGB zu berücksichtigen, und zwar gemäss Art. 276 Abs. 3 ZGB in dem Mass, als es dem Kind zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit bestimmt sich einerseits aufgrund eines Vergleichs der Leistungsfähigkeit von Eltern und Kind, andererseits nach der Höhe ihrer Leistungen und schliesslich nach dem Bedarf des Kindes.). Eine individuelle Anpassung ist mit Blick auf die Gesamtsituation der Familie (Stichwort vergleichbare Lebenshaltung) erforderlich.

3.2.16 Für Einzelheiten vgl. Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.30 ff; Rz. 05.71 ff.

3.3 Insbesondere Selbständigerwerbende

3.3.1 Allgemeines

Bei Selbständigerwerbenden ist grundsätzlich vom Reingewinn auszugehen.

In zeitlicher Hinsicht ist gemäss Jahresabschlüssen auf eine repräsentative Periode (i.d.R. 2-3 Jahre) abzustellen (vgl. BGE 143 III 617, E. 5.1; Urteil 5A_834/2016, E. 5.1.5 vom 13.6.2018; Urteil 5A_937/2016, E. 3.2.2 vom 5.10.2017; Urteil 5A_463/2014, E. 7 vom 8.12.2014, Urteil 5A_564/2014, E. 3 vom 1.10.2014). Bei stärkeren Schwankungen oder unklaren Grundlagen ist ggf. eine längere Periode herbeizuziehen (Urteil 5A_396/2013, E. 3.2 vom 26.2.2014; Urteil 5A_973/2013, E. 5.2.3 vom 9.5.2014). «Ausreisser»-Jahre sind nicht zu berücksichtigen (BGE 143 III 617, E. 5.1; Urteil 5A_834/2016, E. 5.1.5 vom 13.6.2018; Urteil 5A_937/2016, E. 3.2.2 vom 5.10.2017; Urteil 5A_708/2008, E. 2.2 vom 17.12.2008; Urteil 5A_790/2008, E. 2.1 vom 16.1.2009; Urteil 5A_973/2013, E. 5.2.3 vom 9.5.2014); unzulässig ist es hingegen, entsprechende Jahre „punktuell“ zu bereinigen (Urteil 5A_834/2016, 5A_852/2016, E. 5.1.7 vom 13.6.2018) Bei ständig steigenden oder sinkenden Resultaten ist hingegen u.U. nur vom letzten Jahr auszugehen (BGE 143 III 617, E. 5.1; Urteil 5A_834/2016, E. 5.1.5 vom 13.6.2018; Urteil 5A_937/2016, E. 3.2.2 vom 5.10.2017; Urteil 5A_684/2011, E. 2.2 vom 31.5.2012; Urteil 5D_167/2008, E. 2 vom 13.1.2008; Urteil 5P.342/2001, E. 3 vom 20.12.2001; allerdings ohne Rückwirkung bei steigenden Gewinnen, Urteil 5A_684/2011, E. 2.3 vom 31.5.2012) oder eine Prognose zu erstellen.

Die Wirtschaftsfreiheit ist u.U. durch die Pflicht, den Unterhalt der Familie zu gewährleisten, eingeschränkt (Pflicht, eine Stelle anzunehmen anstatt einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen; Urteil 5A_564/2014, E. 5 vom 1.4.2014).

3.3.2 Kritische Positionen

Kritisch zu überprüfen und allenfalls aufzurechnen sind die folgenden Positionen (BGE 143 III 617, E. 5.1; Urteil 5A_834/2016, E. 5.1.5 vom 13.6.2018; Urteil 5A_937/2016, E. 3.2.2 vom 5.10.2017; Urteil 5A_544/2014, E. 4.1 vom 17.9.2004; Urteil 5A_687/2011, E. 5 vom 17.4.2012; Urteil 5P.342/2001, E. 3a vom 20.12.2001; Urteil 5D_167/2008, E. 2 vom 13.1.2008):

–      Abschreibungen: Diese sind – auch wenn sie handels- und steuerrechtlich nicht zu beanstanden sein sollten – im Verhältnis unter Ehegatten dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Abschreibung der Ersparnisbildung dient und dem Pflichtigen angesichts der Einkommensverhältnisse der Betroffenen die Bildung eines Sparanteiles nicht (mehr) zugebilligt werden kann.

–      Delkredere, Rückstellungen: vgl. oben.

–      verdeckte Privatbezüge: z.B. in den Aufwandkonti Repräsentationsauslagen, Verwaltungskosten, Fahrzeugauslagen (Urteil 5A_543/2007, E. 5 vom 19.3.2008).

–      Auslagen: Auch «echte» betrieblich bedingte Kosten sind bei angespannten finanziellen Verhältnissen auf ein Minimum zu beschränken bzw. hinsichtlich des Niveaus anzupassen (Urteil 5D_167/2008, E. 5 vom 13.1.2009).

Diese Positionen sind grundsätzlich zum Einkommen hinzuzurechnen. Soweit sie Auslagen decken, welche andernfalls Teil des Bedarfs bilden würden, kann von einer Aufrechnung beim Einkommen der Einfachheit halber jedoch abgesehen werden; allerdings ist den Steuerfolgen Beachtung zu schenken. Die entsprechenden Posten sind diesfalls im Bedarf nicht mehr zu berücksichtigen. In dieser Situation, aber auch ganz generell bei Selbständigerwerbenden, ist darauf zu achten, dass keine doppelte Berücksichtigung bestimmter Auslagen stattfindet (Beispiele: Kosten für Transport, Kleider, Kommunikation, Versicherungen).

Stichwort Geschäftsliegenschaft mit privater Wohnung/Privatliegenschaft mit Geschäftslokal: Hier sind entsprechende Aufrechnungen (einkommensseitig oder bedarfsseitig) vorzunehmen: Die Privatwohnung in der Geschäftsliegenschaft wirkt sich auf den Ertrag aus, ist aber auslagenseitig bei der betreffenden Partei zu berücksichtigen. Beim Geschäft in der Privatliegenschaft ist es umgekehrt (Aufrechnung Mietertrag).

Stichwort Privatbezüge: Sind

  • die Angaben zum Nettogewinn nicht glaubwürdig (nicht vertrauenswürdige Buchhaltung; Urteil 5A_676/2019, E. 3.2 vom 12. März 2020; Urteil 5A_564/2014, E. 3 vom 1.10.2014; Urteil 5A_589/2009, E. 3.2 vom 24.11.2009; Urteil 5A_678/2018, E. 4.2.4 vom 19.6.2019, wonach auf die getätigten Privatbezüge abgestellt werden kann, wenn die Angaben zur Höhe des Einkommens nicht glaubwürdig oder die beigebrachten Belege nicht überzeugend – weil etwa die Gewinn- und Verlustrechnung fehlen),
  • oder die Belege nicht überzeugend (bspw. Fehlen einer ordnungsgemässen Buchhaltung;  Urteil 5A_259/2012, E. 4 vom 14.11.2012; vgl. dazu auch Urteil 5A_24/2018, E. 4.1 vom 21.9.2018; Urteil 5A_455/2017, E. 3.1 vom 10.4.2017),
  • oder würde die Beschaffung und Analyse der Unterlagen (in einem Summarverfahren) zu viel Zeit in Anspruch nehmen (Bräm, Zürcher Kommentar, N 76 zu Art. 163 ZGB)

kann anstelle des Nettogewinns auf die getätigten Privatbezüge abgestellt werden (Urteil 5A_24/2018, E. 4.1 in fine vom 21.9.2018: keine Kumulation). Es ist darauf zu achten, dass die Methoden nicht vermischt werden (Urteil 5A_259/2012, E. 4 vom 14.11.2012; Urteil 5A_396/2013, E. 3 vom 26.2.2014).

–      Privatbezüge höher als Reingewinn kann bedeuten, dass Reserven angezehrt werden, oder dass das Einkommen steigt; letzteres nur bei Vorliegen weiterer Indizien (Urteil 5A_678/2018, E. 4.2 vom 19.6.2019). Bestehen keine solchen Indizien, kann jedenfalls bei längerfristigen Regelungen (Scheidung) i.d.R. keine Berücksichtigung des überschiessenden Teils erfolgen, da der Erhaltung der Unternehmung – auch im Hinblick auf die Unterhaltsansprüche – Priorität zukommen muss; anders aber u.U. in Eheschutz-/Massnahmenverfahren.

–      Privatbezüge tiefer als Reingewinn kann die Bildung von Reserven bedeuten, oder, dass das Einkommen sinkt (Urteil 5A_678/2018, E. 4.2 vom 19.6.2019). Ist ersteres der Fall, kommt dennoch ausnahmsweise die Berücksichtigung des tieferen Betrages anstelle des Reingewinns in Frage, sofern die Erhaltung des Unternehmens eine Vergrösserung der Eigenkapitalbasis erfordert; im Eheschutzverfahren Berücksichtigung der güterrechtlichen Situation (besonders zurückhaltende Anwendung, wenn später keine Teilung im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung stattfinden kann).

3.3.3 «Schein-Angestellte»/ Angestellte in eigener (Aktien-) Gesellschaft

Ist ein Mehrheitsaktionär oder -anteilsinhaber einer juristischen Person von dieser angestellt und ergeben sich in Bezug auf den bezogenen Lohn Besonderheiten (z.B. auffallend tiefer Lohn; Reduktion des Lohnniveaus gegenüber dem Zeitraum vor Trennung/Scheidung; Lohn an nahestehende Dritte), ist allenfalls nach den obenstehenden Grundsätzen zu prüfen, welchen Lohn die betreffende Person aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft vernünftigerweise beziehen könnte, und auf diesen höheren Lohn abzustellen (vgl. dazu ZüKomm/Bräm, N 78 zu Art. 163 ZGB; Urteil 5P.342/2001, E. 3 vom 20.12.2001; vgl. dazu auch BSK/Isenring/Kessler, N 26 zu Art. 163 ZGB).

3.3.4 Landwirte

–      Berücksichtigung von Naturaleinkommen des Unterhaltspflichtigen,

–      evtl. leichte Reduktion des Grundbetrages wegen tieferer Lebensmittelkosten,

–      genaue Analyse von Gewinn- und Verlustrechnung bezüglich der Wohnkosten:
wenn diese als Betriebsaufwand aufgeführt werden, sind sie im Einkommen aufzurechnen, gleichzeitig aber auch in den Bedarf aufzunehmen zwecks besserer Vergleichbarkeit. Des Weiteren sind hohe Aufwendungen für Liegenschaftsunterhalt genauer zu prüfen, vor allem, wenn der Betrieb voraussichtlich früher oder später nicht weitergeführt wird.

3.4 Auslagen/Bedarf

Die folgenden Grundsätze sind beim Einsetzen bestimmter, im Bedarf enthaltener Auslagen insbesondere zu beachten:

3.4.1 Bei der nunmehr gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 147 III 265, E. 7.2) verbindlichen zweistufigen Berechnungsmethode mit Überschussverteilung bilden die Richtlinien zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums Ausgangspunkt für die Bedarfsermittlung. Massgebend sind die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009. Kann mit den vorhandenen finanziellen Mitteln das betreibungsrechtliche Existenzminimum aller Beteiligter – mit Ausnahmen der volljährigen Kinder – gedeckt werden und bleiben Mittel übrig, erfolgt in einer nächsten Stufe eine Erweiterung zum familienrechtlichen Existenzminimum (familienrechtlicher Grundbedarf).

3.4.2 Wo die Tabellen auf die «SchKG-Richtlinien» verweisen, sind die Ansätze gemäss diesen Richtlinien gemeint.

3.4.3 Beim Grundbedarf von Selbständigerwerbenden ist zu überprüfen, ob entsprechende Kosten nicht bereits bei der Ermittlung des Reingewinns (einkommensvermindernd) berücksichtigt wurden (vgl. Ziff. 3.3, «Insbesondere Selbständigerwerbende»). Eine doppelte Berücksichtigung der entsprechenden Kosten (insbes. Arbeitswegkosten) ist zu vermeiden.

3.4.4 Der Grundbetrag gemäss SchKG-Richtlinien deckt die Kosten für folgende Bedürfnisse ab: Nahrung, Kleidung und Wäsche einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles sowie Auslagen für Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas. Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der Umsetzung im Familienrecht insbesondere hinsichtlich folgender Punkte

–      Erwachsene, die in «kinderloser» und «kostensenkender» Wohngemeinschaft mit anderen erwachsenen Personen leben, welche ebenfalls über ein Einkommen verfügen: Gemäss Richtlinien ist hier vom Ehegatten-Grundbetrag auszugehen und dieser (maximal bis zur Hälfte) zu reduzieren (vgl. dazu BGE 130 III 765, E. 2). Im familienrechtlichen Kontext, bei dem meist ein längerer Zeithorizont zu beachten ist als im Betreibungsrecht (Beschränkung der Lohnpfändungen auf ein Jahr), ist eine maximale Reduktion auf den halben Ehegatten-Grundbetrag (aktuell CHF 850.00) indessen nicht ohne Weiteres sachgerecht, zumal zwischen Personen in einer Wohngemeinschaft keine Unterhaltspflichten bestehen. Die Festsetzung des Grundbetrags des im Konkubinat lebenden Schuldners auf die Hälfte des Ehegatten-Grundbetrags rechtfertigt sich grundsätzlich dann, wenn der Schuldner mit seiner Lebenspartnerin in einer Hausgemeinschaft von Dauer lebt, welche mit der ehelichen Hausgemeinschaft vergleichbar ist (BGE 130 III 765, E. 2; vgl. dazu auch BGE 132 III 483, E. 4, bestätigt in BGE 144 III 502, E. 6.6: Berechnung des Grundbetrags in einem Fall, in welchem die Schuldnerin mit ihrer erwerbsfähigen volljährigen Tochter in einer Wohngemeinschaft lebt). In der Scheidungssituation stellt sich die Frage, ob auf die tieferen Beträge abzustellen ist oder (grundsätzlich beidseitig) auf jene Kosten, welche bei Alleinleben entstehen würden (Spycher/Hausheer, Handbuch, Rz. 10.22, 10.28.; zu undifferenziert, da ohne weiteres von der Situation bei Getrenntleben abgeleitet – BGE 138 III 97; Urteil 5A_433/2013, E. 3.3 vom 10.12.2013; vgl. dazu auch Urteil 5A_882/2014, E. 2.3 vom 2.7.2015). Eine angemessene Lösung kann ggf. über eine Teilsistierung erreicht werden. Dies – Festlegung der Beträge mit/ohne Lebensgemeinschaft – kann ggf. auch auf den im Zeitpunkt der Unterhaltsfestsetzung in einer Partnerschaft lebenden Schuldner angewendet werden. 

–      Alleinerziehende: Hier sehen die Richtlinien einen Zuschlag von CHF 150.00 gegenüber dem Grundbetrag einer alleinstehenden Person vor. Es ist zwar nicht ersichtlich, welche Kosten dieser Zuschlag konkret abdecken soll, doch hat er sich eingebürgert. Uneinheitlich ist die Praxis bei Elternteilen, die beide einen wesentlichen Anteil an der Betreuung leisten (vgl. hinten Ziff. 3.7.1.4); oft erfolgt eine beidseitige Anrechnung.

Kinder: Gegebenenfalls ist ein (im Verhältnis zum verbleibenden Gesamtbetrag stehender) Abzug zu machen, soweit gewisse im Grundbetrag enthaltene Positionen anderswo berücksichtigt wurden (bspw. Essenskosten bei externer Kinderbetreuung; allerdings ist dabei die z.T. sehr bescheidene Höhe des Grundbetrags im Auge zu behalten und eine Kürzung nur sehr zurückhaltend vorzunehmen; vgl. Urteil 5A_117/2021, E. 6.2 vom 9.3.2022. Zur Verteilung bei annähernd gleichmässiger Betreuung durch beide Eltern oder bei zumindest hohem Betreuungsanteil des nicht hauptbetreuenden Elternteils siehe hinten, Ziff. 3.7.1.10.

3.4.5 Wohnkosten: Miete inkl. Nebenkosten; Parkplatz, wenn aus beruflichen oder allenfalls aus familiären Gründen ein Auto notwendig ist (Kompetenzgut). Bei selbstgenutztem Wohneigentum: Kosten für Hypothekarzins, Nebenkosten und notwendigen Unterhalt, nicht aber – jedenfalls nach der Scheidung − Amortisationen (BGE 127 III 289, E. 2; Urteil 5A_780/2015, E. 2.7 vom 10.5.2016).

Die Wohnkosten (wie auch andere, bisher für einen Familien«teil» gesamthaft ermittelte Kosten) sind auf die einzelnen Personen aufzuteilen. Bei der Verteilung sind die bekannten Ansätze (z.B. nach Zürcher Tabellen; Prozente vom Gesamtbetrag der Wohnkosten bspw. 15-20%; Vorschlag von Aeschlimann/Bähler/Schweighauser/Stoll, in: FamPra.ch 2/2021, 251 ff, 260: 20% bei einem Kind, 30% bei zwei Kindern und 40% bei drei Kindern; ungefähre Aufteilung nach Zimmern) auf ihre Tauglichkeit im konkreten Fall zu prüfen. Als Grundsatz gilt, dass die Wohnkosten nicht derart auf die Kinder umgelagert werden sollen, dass für den mit ihnen wohnenden Elternteil ein zu geringer Betrag verbleibt (d.h. ein Betrag, der – im Vergleich mit den Wohnkosten einer Einzelperson bei entsprechenden Verhältnissen – ungenügend wäre). Bei in Wohngemeinschaft lebender erwachsener Personen ist i.d.R. die Halbierung der Wohnkosten angebracht. Leben minderjährige Kinder bei einem von ihnen, sind die Kinderanteile (wiederum i.d.R.) vom Gesamtbetrag abzuziehen. Anders (d.h. wiederum Halbierung) ist es dort, wo die Kinder sich nur im Rahmen eines erweiterten Besuchsrechts beim Elternteil aufhalten. Situativ (v.a. in Abhängigkeit vom Platzbedarf, aber auch von den verbleibenden Wohnkosten bei den Erwachsenen) sind aber auch andere Verteilungen angemessen.

Grundsätzlich Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnkosten, ggf. unter Einschluss einer zusätzlichen Mietzinskaution, wo eine solche bezahlt werden muss. Bei längerfristiger Regelung (Scheidungsfall) ist wie folgt zu verfahren:

–      Bei ungenügendem Einkommen sind beidseitig lediglich die angemessenen anstelle der effektiven Wohnkosten einzusetzen.

–      Bei vorübergehend besonders günstigem Wohnen (z.B. bei Verwandten) sind die (höheren) angemessenen Wohnkosten einzusetzen.

Erfolgt eine Gegenüberstellung der Wohnkosten der Parteien (mit Blick auf die Aufrechterhaltung eines beidseitig vergleichbaren Wohnstandards), darf besonders günstiges Wohnen einer Partei in selbstgenutztem Wohneigentum (bewirkt durch eine solide Eigenkapitalquote) nicht zu einer Reduktion der höheren Wohnkosten der anderen Partei Anlass geben. Bei der Ermittlung der «günstigen» Wohnkosten wurde ja die Eigenkapitalverzinsung nicht berücksichtigt (dazu oben, Ziff. 3.2.13).

3.4.6 Krankheitskosten: Krankenversicherungsprämien (Erwachsene, Kinder je separat) in der Regel nur für Grundversicherung. Einschluss der Unfallversicherungsprämie, wenn keine Unfallversicherung über den Arbeitgeber erfolgt. Zusatzversicherungen können berücksichtigt werden, wenn die Mittel ausreichen (also nur im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums) und entweder beide Ehegatten gleichwertigen Versicherungsschutz geniessen oder sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung bestehen (Gesundheitszustand). Tatsächliche oder erhältliche Prämienverbilligungen sind zu berücksichtigen. Einbezug anderer Krankheitskosten (Anteil Franchise, Arzt-, Zahnarztrechnungen), wenn erhebliche Behandlungen anfallen, für deren voraussichtliche Dauer (SchKG-Richtlinien Ziff. II, S. 3); dies unter «Besondere Krankheitskosten». Unterschiedliche Franchisen können u.U. zu unterschiedlicher Berücksichtigung zusätzlicher Krankheitskosten führen.

3.4.7 Telekommunikation/Mobiliarversicherung: Eine tw. Umverteilung auch auf Kinder ist an sich denkbar, mit Blick auf die Höhe des Betrags jedoch u.E. zu vernachlässigen.

3.4.8 Arbeitsweg/Transportkosten: Auszugehen ist von den SchKG-Richtlinien und den im Familienrecht entwickelten Regeln. Steuerlich begründete (Stichwort FABI; Limitierung der steuerlich abziehbaren Wegkosten; Botschaft FABI) Beschränkungen sind hingegen nicht bzw. jedenfalls nicht unbesehen zu übernehmen. Betreffend Arbeitsweg in der Regel Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, maximal Generalabonnement. Kosten Privatfahrzeug (vgl. dazu 7B.234/2000, E. 6 vom 3.11.2000; vgl. auch BGE 140 III 337, E. 5.2; Urteil 5P.6/2004, E. 4 vom 12.3.2004; Einschluss der Amortisation, Urteil 5A_779/2015, E. 5.3 vom 12.7.2016), wenn aufgrund der konkreten Verhältnisse (Arbeitsort, Arbeitszeiten, Betreuungspflichten) die Benützung des öff. Verkehrs nicht zumutbar ist. Wenn das Auto nicht Kompetenzcharakter aufweist, sind die entsprechenden Kosten wie auch ähnliche Kosten (z.B. das nicht zwingend erforderliche, aber nützliche öV-Abo) nach der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr als Erweiterung zu berücksichtigen – auch wenn sie der bisherigen Lebenshaltung entsprechen – sondern aus dem Überschuss zu decken.

3.4.9 Laufende Steuern (vgl. dazu Bähler Daniel, Familienunterhalt und Steuern, in: Jungo Alexandra/Fountoulakis Christiana (Hrsg.), Familienvermögensrecht: berufliche Vorsorge – Güterrecht – Unterhalt, Freiburg 2016, S. 116 ff; FamKomm/Ramseier, N 3 zu Anh. St; siehe berechnungsblaetter.ch, unter «Texte», Familienunterhalt und Steuern): Einkommenssteuer Bund, Kanton, Gemeinde; Vermögenssteuer Kanton, Gemeinde; ev. Kirchensteuer. Grundlage: Voraussichtliche Steuerlast bei getrennter Veranlagung. Zu beachten: Alimente an Ehegatten sowie an minderjährige Kinder in Rentenform sind vom Empfänger zu versteuern (vgl. Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 12.28 f), deshalb – soweit möglich – Mitberücksichtigung der voraussichtlichen Alimente bei der Steuerberechnung. Für verschiedene Kantone nehmen die Tabellen Nr. 11, 15 und 16 die Steuerberechnung einschliesslich Abgleichung mit der Unterhaltsberechnung automatisch vor. Für nähere Erläuterungen dazu wird auf die separate Bedienungsanleitung sowie auf den Kommentar Steuerberechnungen, berechnungsblätter.ch verwiesen. Ein Steuerberechnungsprogramm für die ganze Schweiz findet sich im Internet auf der Website der Helvetia-Versicherung (ausgehend vom steuerbaren Einkommen) sowie auf der Website der Eidgenössischen Steuerverwaltung (swisstaxcalculator.estv.admin.ch; Einkommensart wählbar). Im Weiteren bieten u.a. auch verschiedene kantonale Steuerverwaltungen Berechnungsprogramme auf dem Internet an.

Das betreibungsrechtliche Existenzminimum wird bei genügend finanziellen Mitteln zum familienrechtlichen Existenzminimum (= familienrechtlicher Grundbedarf) erweitert. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Erweiterung sind die Steuern aller beteiligten Personen. Als Bedarfsposition des Kindes ist im familienrechtlichen Existenzminimum zwingend ein Steueranteil aufzunehmen (BGE 147 III 265, E. 7.2). Mit Blick auf die Festlegung des Steueranteils des Kindes sind die Steuern, die beim Elternteil anfallen, welcher die Kindesunterhaltsbeiträge erhält, proportional nach den Einkünften dieses Elternteils auf der einen Seite und des Kindes auf der anderen Seite aufzuteilen (Methode der proportionalen Aufteilung). Zu den Einkünften des Kindes gehören insbesondere der Barunterhalt, die Familienzulagen, die Sozialversicherungsleistungen und ähnliche für den Kindesunterhalt bestimmte Leistungen sowie allfällige Erträge aus dem Kindesvermögen. Nicht zu den Einkünften des Kindes gehören dessen Erwerbseinkommen und der Betreuungsunterhalt. Letzterer wird wirtschaftlich und damit auch für die Aufteilung der Steuern dem betreuenden Elternteil angerechnet (BGE 147 III 457, E. 4.2.3.5). Falsch ist übrigens die hin und wieder vorfindbare Angabe, es sei auf das Verhältnis der „steuerbaren“ Einkommen abzustellen.

Erfolgt die Aufteilung – planwidrig – nicht, findet sich der Steueranteil der Kinder u.U. letztlich im Betreuungsunterhalt anstatt im Barunterhalt wieder.

Zur (Nicht-)Berücksichtigung der Steuern in Mangelfällen siehe unten Ziff. 3.6.1.3.

Zur steuerlichen Behandlung von Liegenschaften bei getrennter Veranlagung siehe Tabelle Nr. 19.

3.4.10 Schulden: Temporäre Berücksichtigung tatsächlich bezahlter Abzahlungsraten und Schuldzinse, wenn die Schuld begründet wurde für den Erwerb von Kompetenzstücken, wenn beide Parteien vom Gegenwert profitiert haben (Bsp. Kleinkredit für gemeinsame Ferien), oder wenn beide Parteien Schuldner sind. Zu berücksichtigen sind auch während der Ehe angefallene Steuerschulden. Kürzung oder Streichung der Beträge, wenn bzw. soweit durch ihre Berücksichtigung ein Manko entsteht (dazu unten Ziff. 3.6.1.3). Keine Berücksichtigung der Abzahlung von Schulden, welche zur Begleichung einer güterrechtlichen Forderung begründet werden mussten (BGE 127 III 289, E. 2b; Urteil 5A_79/2013, E. 3.2 vom 17.4.2013).

Bestehende Lohnpfändungen sind lediglich insoweit zu berücksichtigen, als sie nicht zur Entstehung eines Mankos führen. Der Schuldner hat diesfalls die Anpassung der Pfändung zu erwirken.

In jedem Fall − insbesondere in Verhältnissen mit bescheidenem Einkommen − ist zu empfehlen, Höhe und Dauer der vorgesehenen Abzahlungen (wenn nötig unter Angabe der damit zu begleichenden Schuld) in Urteil oder Vereinbarung festzusetzen und den Unterhaltsbeitrag entsprechend diesen Phasen in seiner Höhe anzupassen. Weiter kann der Fall, dass Schuldentilgung oder Zinszahlungen «planwidrig» unterlassen werden, oder dass ein unvorhergesehener Schulderlass erfolgt, in einer Vereinbarung mittels Erhöhungsvorbehalt geregelt werden. So kann sich der Unterhaltsschuldner beispielsweise verpflichten, gegenüber dem Unterhaltsgläubiger regelmässig den Nachweis der Zahlung der Schuld zu erbringen, wobei weiter vorgesehen wird, dass bei Fehlen des Nachweises automatisch eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrags auf einen im Voraus bestimmten Betrag erfolgt. Die steuerlichen Konsequenzen der entsprechenden Regelung sind vorab jeweils sorgfältig zu prüfen.

3.4.11 Drittbetreuung: Die Drittbetreuungskosten fallen als direkte Kosten in den Barbedarf des Kindes und sind bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des Kindes zu berücksichtigen (vgl. dazu BGE 147 III 265, E. 7.2). Entsprechende Kosten sind dem Barunterhalt zuzuordnen (Botschaft, Kindsunterhalt, 576; Urteil 5A_708/2017, E. 4.9 vom 13.3.2018; Urteil 5A_553/2018, E. 6.1 vom 2.10.2018). Betreffend Verhältnis zum Betreuungsunterhalt siehe vorne Ziff. 2.3.2.

3.4.12 Weitere besondere Auslagen Kinder: Es ist darauf zu achten, dass keine Vermischung der Methoden stattfindet in dem Sinn, dass bspw. Kosten für teure Freizeitaktivitäten der Kinder als besondere Auslagen berücksichtigt werden und in der Folge zusätzlich eine uneingeschränkte Beteiligung am Überschuss stattfindet. Ansonsten besteht das Risiko einer Besserstellung der Kinder im Vergleich zu den Eltern, was dem Grundsatz widersprechen würde, dass allen Familienmitgliedern so weit als möglich die bisherige Lebenshaltung in gleichem Umfang zu ermöglichen ist. Dem hat das Bundesgericht in BGE 147 III 265, E. 7.2 durch die Feststellung Rechnung getragen, dass Zusatzpositionen wie Kosten für Reisen, Hobbies usw. nicht zum familienrechtlichen Grundbedarf, sondern zum weitergehenden Bedarf gehören, welcher via Überschussanteil zu decken ist.

Kosten für die Ausübung des Besuchsrechts: Ausnahmsweise kann es sich rechtfertigen, bereits bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (bzw. des Bedarfs) des besuchsberechtigten bzw. des weniger betreuenden Elternteils einen gewissen Betrag für die «Besuche» zu berücksichtigen, wenn der besuchsberechtigte bzw. weniger betreuende Elternteil deutlich finanziell schlechter gestellt ist als der obhutsberechtigte bzw. hauptbetreuende Elternteil  (Urteil 5P.17/2006, E. 4 vom 3.5.2006; vgl. dazu auch Urteil 5A_106/2016, E. 5.2 vom 7.6.2016; Urteil 5A_390/2012, E. 6.4 vom 21.1.2013). Ansonsten gehören die Kosten für die Ausübung des Besuchsrechts zum familienrechtlichen Existenzminimum (BGE 147 III 265, E. 7.2). Das muss im Rahmen angemessener Kosten auch gelten, wenn die Ausübung alternierender Obhut in Frage steht.

3.4.13 Beiträge an Berufsverbände und Weiterbildung: Sie sind zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich anfallen oder anfallen werden (vgl. dazu BGE 147 III 265, E. 7.2, wonach die unumgänglichen Weiterbildungskosten zum familienrechtlichen Existenzminimum gehören).

3.4.14 Vorsorge: Berechnung des Vorsorgeunterhalts mittels des separaten Blattes, wenn anwendbar. Allfällige nebst dem Vorsorgeunterhalt weitere zu berücksichtigende Prämien sind in eine leere Zelle einzufügen (z.B. Säule 3a, während Eheschutzverfahren, wenn die spätere güterrechtliche Beteiligung sichergestellt ist; sinngemäss Urteil 5A_131/2007, E. 3 vom 8.6.2007). Wird kein Vorsorgeunterhalt berechnet, kann hierfür die Zeile «Private Vorsorge/Lebensversicherungen» verwendet werden (nicht vergessen: steuerliche Abzugsfähigkeit prüfen/ggf. korrigieren).

3.4.15 Unterhaltsbeiträge an Dritte: Einzusetzen sind hier – unter Vorbehalt einer allfälligen Überprüfung bei knappen Mitteln, mit Blick auf die Rangverhältnisse – vorbestehende vertraglich oder mittels Entscheid festgesetzte Barunterhaltsverpflichtungen. Entsprechende weiterzuleitende Familienzulagen sind unter «verfügbare Mittel» in der dafür bestimmten Zeile einzufügen. Im Eheschutz- und Massnahmeverfahren erfolgt die Berücksichtigung in der Regel tel quel. Im Scheidungsverfahren ist gestützt auf die Rangordnung zwischen den Ansprüchen der einzelnen Gläubiger vorfrageweise zu überprüfen, ob und wenn ja in welchem Umfang und ungefähren Zeitrahmen die vorbestehenden Unterhaltsbeiträge herabgesetzt werden könnten. Die neuen Unterhaltsbeiträge sind unter Berücksichtigung dieser Prognose festzusetzen. Gleichzeitig empfiehlt es sich, mittels Vorbehalts in der Konvention oder im Urteil den Fall zu regeln, dass das Urteil der für die Herabsetzung zuständigen Instanz(en) erheblich von der Prognose abweicht.

Unter «Unterhaltsbeiträge für Dritte» können auch separat berechnete Unterhaltsbeiträge an volljährige Kinder eingefügt werden (vgl. oben Ziff. 3.1.6). Diesfalls sind die für volljährige Kinder bezogenen Familienzulagen unter «verfügbare Mittel» in der dafür bestimmten Zeile einzufügen. Bei diesem Vorgehen müssen die Steuerangaben manuell angepasst werden.

3.5 Weitere Berechnungsschritte

3.5.1 Differenz: In einem ersten Schritt werden einerseits die verfügbaren Mittel und andererseits der familienrechtliche Grundbedarf der Beteiligten zusammengezogen. Aus der Gegenüberstellung ergibt sich der Gesamtüberschuss oder das Gesamtmanko.

3.5.2 Vorabzuteilung: Wo eine Vorabzuteilung von Einkommen gerechtfertigt ist, kann der entsprechende Betrag hier angegeben werden (Hauptblatt, links Mitte, unter «3. Differenz»). Gegebenenfalls reduziert sich der Gesamtbetrag, und es verbleibt der konkret aufzuteilende Betrag.

Zum einen ist eine allfällige weiterbestehende Sparquote (dazu Ziff. 3.6.2) in der Zeile «Vorabzuteilung» einzutragen.

Unter „Vorabzuteilung“ kann auch überobligatorisch erzieltes oder aus anderen Gründen nicht für die Unterhaltsberechnung anrechenbares Einkommen angegeben und damit abgezogen werden. Das Bundesgericht steht der Vorabzuteilung bereits im Rahmen der Einkommensermittlung allerdings ablehnend gegenüber – es befürwortet die „Bündelung“ des Ermessens – und will überobligatorische Anstrengungen erst auf der Stufe der Überschussverteilung berücksichtigt wissen (BGE 147 III 265, E. 7.1). Dies hat allerdings zur Folge, dass in Fällen ohne Überschuss die Berücksichtigung unterbleibt.

Ergänzend sei erwähnt, dass diese Vorgehensweise der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, indem die Vorabzuteilung (in den Tabellen) bei der Überschussverteilung erfolgt.

Soll beim Volljährigenunterhalt nicht alles Einkommen des Kindes angerechnet werden, muss die Vorabzuteilung (nach wie vor) zwingend hier erfolgen, sofern man mit der bundesgerichtlichen Vorgabe eine Beteiligung des Volljährigen am Überschuss ausschliesst.

Eine Vorabzuteilung in der einen (bei der Einkommensermittlung) oder anderen Form (bei der Überschussverteilung, welche jedoch bei nicht verheirateten Eltern nicht spielt) ist insbesondere beim hauptbetreuenden Elternteil erforderlich, soweit er ein Einkommen erzielt, das seine für die Berechnung des Betreuungsunterhalts berücksichtigte Lebenshaltung übersteigt, im Umfang der Differenz. Der von ihm selbst erwirtschaftete Überschuss muss dem hauptbetreuenden Elternteil verbleiben und darf nicht umverteilt werden; andernfalls würde eine bei überwiegender Betreuung durch einen Elternteil nicht beabsichtigte, da die Naturalleistungen ausser Acht lassende, Beteiligung am Barunterhalt resultieren (vgl. Urteil 5A_727/2018, E. 4.3.2 vom 22.8.2019, wonach nur einzelfallbezogen eine Beteiligung des hauptbetreuenden Elternteils am Barunterhalt erfolgt; Spycher/Bähler, Arbeitskreis 7: Reform des Kindesunterhaltsrechts, in: Büchler Andrea/Schwenzer Ingeborg (Hrsg.), Achte Schweizer Familienrecht§tage, 28./29. Januar 2016 in Zürich, Bern 2017, 255 ff, 280; sodann Spycher, in: FamPra.ch 1/2017, 198 ff; 216). (Vgl. dazu hinten Ziff. 3.7.2).

Ein allfällig den Barunterhalt belastendes Manko wird automatisch in die Vorabzuteilung übertragen, dies, damit nicht der hauptbetreuende Elternteil mit einem fiktiven Unterhaltsbeitrag belastet wird (vgl. Ziff. 3.6.1.6).

3.5.3 Überschussverteilung: Resultiert nach dem Vergleich des familienrechtlichen Existenzminimums mit dem Einkommen aller Beteiligten ein Überschuss, ist dieser unter den daran berechtigten Familienmitgliedern aufzuteilen. Die Verteilung erfolgt dabei grundsätzlich nach grossen und kleinen Köpfen (BGE 147 III 265, E. 7.3). Anpassungen sind allerdings geboten in der Situation erforderlicher „Vorabzuteilungen“ (siehe oben Ziff. 3.5.2); sie sind zu begründen.

Die automatische Einstellung richtet sich danach, ob im Hauptblatt, «verheiratet/geschieden» (j/n), ganz oben Mitte, «j» oder «n» angegeben wurde, d.h. sie ist abhängig davon, ob ehelicher/nachehelicher Unterhalt in Frage kommt oder nicht. (Die Einstellung ist vordefiniert mit 1/1/0,5 bei „j“ und mit 1/0/0,5 bei „n“, jeweils mit einem Kind). Die Verteilung kann in begründeten Fällen manuell geändert werden (Wertungsfrage). Es wird automatisch eine Aufteilung nach Köpfen vorgegeben, wobei Kinder wie ein «halber Erwachsener» zählen. Waren/sind die Eltern verheiratet, wird dem betreuenden Elternteil ein Kopfanteil zugewiesen, bei «nein» gemäss Voreinstellung hingegen nicht. Entsprechend der Vorgabe berechnet sich der Überschussanteil. Insbesondere bei nie miteinander verheirateten Elternteilen ist zu prüfen, ob sich durch die Aufteilung des Überschusses nach Köpfen nicht eine «Überentschädigung» der Kinder ergibt (Wertungsfrage).

3.5.4 Unterhaltsanspruch wirtschaftlich: Dieser Abschnitt beinhaltet die Gegenüberstellung des Bedarfs (inklusive Überschussanteil und wo relevant auch die Angabe vorabzugeteilter Mittel) mit dem eigenen Einkommen. Daraus ergibt sich, was den Beteiligten wirtschaftlich zusteht («+») bzw. vom Verpflichteten zu bezahlen ist («- »).

3.5.5 Unterhaltsanspruch rechtlich:  Die Differenzierung zwischen dem rechtlichen und dem wirtschaftlichen Unterhaltsanspruch hängt damit zusammen, dass der Betreuungsunterhalt wirtschaftlich am Bedarf des hauptbetreuenden Elternteils ausgerichtet und auch für die Deckung dieses Bedarfs bestimmt ist, rechtlich jedoch ein Anspruch des Kindes ist. Entsprechend erfolgt hier die Umverteilung auf die Kinder. Den Kindern wird zuerst ihr Barunterhalt, eine allfällige Vorabzuteilung (vgl. vorne Ziff. 3.5.2) für sie sowie der auf sie entfallende Überschussanteil zugewiesen. In einem zweiten Schritt wird das auf die Lebenskosten des Betreuenden entfallende Manko (konkret: Differenz zwischen Einkommen des Betreuenden und seinem familienrechtlichen Existenzminimum bzw. familienrechtlichen Grundbedarf; exklusiv Vorsorge und evtl. Unterhaltsbeiträge an Dritte) auf die Kinder verteilt (Betreuungsunterhalt). Die Anwenderin/der Anwender hat zu entscheiden, ob die als «default» angegebene Verteilung nach Köpfen anzuwenden ist oder ob allenfalls (z.B. für ältere Kinder) ein kleinerer Anteil am Betreuungsunterhalt gerechtfertigt und folglich eine manuelle Anpassung erforderlich ist.

Wird «verheiratet/geschieden» angegeben, verbleibt hingegen wiederum «by default» dem Elternteil sein Vorsorgeunterhalt sowie sein Überschussanteil. Daraus ergibt sich ein entsprechender persönlicher Unterhaltsbeitrag. Diese Aufteilung lässt sich manuell ändern (Wertungsfrage). Zu beachten ist, dass der (nach)eheliche Unterhalt und der Betreuungsunterhalt auf unterschiedlichen Niveaus zu bemessen sind. Der Wegfall von Betreuungsunterhalt kann (oder muss) folglich gerade bei lebensprägenden Ehen zur Erhöhung bzw. zum Neueinsetzen von nachehelichem Unterhalt führen.

3.5.6 Ergebnis: Dieser Abschnitt fasst die Unterhaltsbeiträge aufgeteilt auf die Berechtigten zusammen, zeigt aber auch ihre Zusammensetzung auf (Kindesunterhalt: Barunterhalt/Betreuungsunterhalt separat).

3.6 Besondere Einkommenssituationen

3.6.1 Mangelfälle bzw. Mankosituationen

3.6.1.1 Reicht das Einkommen der Parteien nicht aus, um alle Existenzminima zu decken, wird gemäss bisheriger bundesgerichtlicher Praxis das Defizit der Unterhaltsgläubigerin (i.d.R. der Ehefrau) und den in ihrem Haushalt befindlichen Familienmitgliedern überbunden (vgl. die Zusammenfassung und Bestätigung der bundesgerichtlicher Rechtsprechung in BGE 135 III 66 m.w.H.; vgl. dazu auch BGE 144 III 502, E. 6.4). Die Unterhaltsgläubigerin muss zur Deckung des Defizits die Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Diese Praxis ist für den Unterhalt nach Scheidung übernommen worden (vgl. zum Ganzen Hausheer/Spycher, Handbuch, 2. Aufl., Rz. 01.79 ff, 05.136 ff). Die immer wieder thematisierte sog. Mankoteilung wurde auch mit der Reform des Kindesunterhaltsrechts vom 20. März 2015 nicht umgesetzt (BGE 144 III 502, E. 6.4).

3.6.1.2 In potenziellen Mangelfällen sind die Fragen der Zumutbarkeit der Erzielung zusätzlichen Einkommens durch den Schuldner und die einzelnen Kosten, welche zum schuldnerischen Bedarf gezählt werden, besonders sorgfältig zu prüfen. Immerhin ist die Berechnung in Scheidungsfällen aber auf der Basis von für die Zukunft sinnvollen Werten durchzuführen.

3.6.1.3 Laufende Steuern, welche mit der Erzielung des unterhaltsrelevanten Einkommens zusammenhängen, sind gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 140 III 337, E. 4.4.1; BGE 126 III 353, E. 1a/aa und BGE 127 III 68, E. 2b; Urteil 5A_470/2016, E. 6.4 vom 13.12.2016; Urteil 5A_779/2015, E. 5.2 vom 12.7.2016 zum Kindsunterhalt; BGE 127 III 289, E. 2a/bb; BGE 128 III 257, E. 4a/bb; Urteil 5C.282/2002, E. 2.1 vom 27.3.2003 zum nachehelichen Unterhalt, bestätigt u.a. in Urteil 5A_383/2007, E. 2.2 vom 9.11.2007; Urteil 5A_592/2011, E. 4.2 vom 31.1.2012; Urteil 5A_10/2010, E. 4.2.1 vom 23.2.2010) in Mangelfällen auf Seiten des Unterhaltsschuldners nicht zu berücksichtigen. In BGE 147 III 265, E. 7.2 hält das Bundesgericht fest, dass die Steuern erst im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums berücksichtigt werden; somit erst dann, wenn die finanziellen Mittel zur Deckung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums ausreichen und darüber hinaus noch Mittel verbleiben. Die Zelle wird rosa eingefärbt, die Korrektur ist manuell vorzunehmen. Weil die Koordination zwischen Zivil- und Steuerrecht (Gewährung eines Steuererlasses) nicht hinreichend sichergestellt ist, bleibt dies unbefriedigend, ist jedoch de lege lata hinzunehmen (zum Verhältnis zwischen Steuerbelastung und Existenzminimum siehe auch BGE 122 I 101, E. 2b, 3, 4; vgl. auch Urteil 5A_525/2007, E. 7 vom 28.2.2008; vgl. dazu auch Urteil 5A_310/2009, E. 3.4 vom 28.1.2010).

3.6.1.4 Zinsen und Amortisationen für Schulden (inkl. Steuerschulden und Verzugszinse), welche beide Ehegatten betreffen (dazu oben Ziff. 3.4.10), sind nur soweit in die Berechnung einzusetzen, als durch ihre Berücksichtigung kein Mangelfall entsteht (vgl. dazu auch BGE 147 III 265, E. 7.2, wonach die angemessene Schuldentilgung erst im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums Beachtung findet). Andernfalls würden Dritte als Gläubiger gegenüber Unterhaltsberechtigten bevorteilt. Im Weiteren ist zu beachten, dass die Sozialhilfe keine Beiträge zur Schuldentilgung enthält. Bei Anrechnung von Kleinkredit- und ähnlichen Schulden im Bedarf des Unterhaltsschuldners würde sich der Unterhalt des anderen Ehegatten bzw. der Kinder reduzieren, so dass die Schuldentilgung indirekt über Sozialhilfebeiträge finanziert würde. Auch aus diesem Grund ist in Mangelfällen auf eine Aufrechnung der Schuldzinsen und Amortisationszahlungen zu verzichten. In Ausnahmefällen kann anders entschieden werden, wenn die Nichtzahlung einer bestimmten Schuld die wirtschaftliche Existenz des Schuldners auf Dauer bedroht – was jedoch nicht leichthin angenommen werden darf. So genügt allein die Gefahr des Verlusts des Arbeitsplatzes nicht, es sei denn, es müsse davon ausgegangen werden, dass diese Situation trotz zumutbarer Anstrengungen des Betroffenen andauern werde.

3.6.1.5 Der Bedarf von mit dem Unterhaltsschuldner zusammenlebenden Familienmitgliedern darf in seinem Existenzminimum nicht berücksichtigt werden; ansonsten würden diese gegenüber nicht mit dem Schuldner zusammenlebenden Berechtigten privilegiert (BGE 144 III 502, E. 6.7: Bestätigung des – durch Art. 276a ZGB bestärkten – Grundsatzes, wonach bei der Bemessung des Kindesunterhalts der Bedarf des Ehegatten nicht im schuldnerischen Existenzminimum berücksichtigt werden darf; vgl. auch Urteil 5A_339/2018, E. 5.6.2 vom 8.5.2019; Urteil 5A_708/2017, E. 3.2 vom 13.3.2018; BGE 137 III 59, E. 4; vgl. auch BGE 127 III 68, E. 2c).

3.6.1.6 Kommt es bei der Konstellation, in der Betreuungsunterhalt geschuldet ist, gemäss Berechnungsblatt beim betreuenden Elternteil zu einem Manko, ist jener Teil des Mankos, der auf die Betreuung zurückzuführen ist, im Berechnungsblatt auf den Betreuungsunterhalt des Kindes/der Kinder umzulagern (vgl. Spycher/Bähler, Arbeitskreis 7: Reform des Kindesunterhaltsrechts, in: Büchler Andrea/Schwenzer Ingeborg (Hrsg.), Achte Schweizer Familienrecht§tage, 28./29. Januar 2016 in Zürich, Bern 2017, 255 ff, 266).

Im Sinn einer Vorgabe/Voreinstellung ergeben sich in der Berechnung im Fall einer Mankosituation folgende zu prüfende (und ggf. zu korrigierende) Schritte:

  • Korrektur bei Steuern (besteht ein Manko, wird die Zelle Steuern automatisch rosa unterlegt);
  • alsdann: Wegfall persönlicher Unterhaltsbeitrag des Ehegatten.
  • Bestehen Unterhaltsbeiträge an Dritte, ist deren Kürzung zu prüfen.
  • Verbleibt nach Ausschöpfung der genannten Kürzungsmöglichkeiten immer noch ein Manko, wird dieses vorab dem Betreuungsunterhalt belastet.
  • Nur, wenn auch dies nicht ausreicht, wirkt sich das Manko auf den Barunterhalt der Kinder aus.

Die Zeilen zuunterst auf dem Blatt zeigen auf, wie im Fall eines Mankos die Kürzung verläuft, und erleichtern entsprechend das Ausweisen des Mankos (insbes. für die Situation einer späteren Anpassung). Soweit das betreibungsrechtliche Existenzminimum aller Beteiligten gedeckt ist, werden die verbleibenden Mittel im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums verteilt, wobei die verschiedenen Unterhaltskategorien in der entsprechenden Reihenfolge (Barunterhalt, Betreuungsunterhalt, ehelicher bzw. nachehelicher Unterhalt) „aufzufüllen“ sind und dabei etappenweise vorzugehen ist, indem z.B. überall die Steuern berücksichtigt werden und erst im Anschluss daran z.B. eine Kommunikations- und Versicherungspauschale eingesetzt wird (vgl. BGE 147 III 265, E. 7.3). Es ist bei dieser Erweiterung somit immer schrittweise für jede einzelne Position vorzugehen.

3.6.1.7 In Mankofällen erhalten Fragen rund um den Vorrang gewisser Unterhaltsbeiträge vor anderen besonderes Gewicht (Spycher/Hausheer, Handbuch, Rz.08 01, 08.24, 08.29; vgl. zur Rangfolge der Unterhaltsansprüche bei Mangellagen: BGE 147 III 265, E. 7.3). Gemäss Art. 276a ZGB gehen Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern allen anderen Unterhaltspflichten vor (mit gewissen Ausnahmen gemäss Abs. 2; BGE 144 III 502, E. 6.7; Urteil 5A_75/2018, E. 3.1 vom 18.12.2018; Urteil 5A_764/2017, E. 4.1 vom 7.3.2018). Kindesunterhalt besteht i.d.R. in Barunterhalt und in Betreuungsunterhalt (sowie in Naturalunterhalt, der indessen in die Tabellen rechnerisch nicht einfliesst; vgl. dazu BGE 144 III 481, E. 4.3; vgl. dazu auch unter Ziff. 2.3.1). Da der Betreuungsunterhalt wirtschaftlich für den betreuenden Elternteil bestimmt ist (siehe oben Ziff. 3.5.5), ist das betreibungsrechtliche Existenzminimum  aller minderjährigen (und ggf. der gleichzustellenden volljährigen; vgl. dazu BGE 144 III 502, E. 6.8) Kinder vollumfänglich zu decken, bevor der Betreuungsunterhalt «zum Zug» kommt (BGE 144 III 481, E. 4.3; Urteil 5A_743/2017, E. 5.2.3 vom 22.5.2019). Vgl. zur allfälligen Einschränkung auf den Grundbedarf i.e.S. im Gegensatz zum Barbedarf, der auf die Drittbetreuungskosten entfällt, vorne unter Ziff. 2.3.2.

3.6.2 Fälle mit weiterbestehender Sparquote

3.6.2.1 In besonders günstigen Einkommensverhältnissen wurde während der Ehe oft nicht das gesamte Einkommen für den Unterhalt eingesetzt, sondern es fand auch eine gewisse Ersparnisbildung statt (Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 01.84). Die sog. Sparquote wird – je nach Höhe – durch die trennungsbedingten Mehrkosten ganz oder teilweise aufgebraucht. Eine nach Berücksichtigung der trennungsbedingten Mehrkosten verbleibende Sparquote ist demgegenüber nicht in die Überschussverteilung einzubeziehen, sondern den Ehegatten im Umfang ihrer bisherigen Spartätigkeit zu belassen (vgl. Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 02.65 ff; vgl. zur Beweislast: Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 05.173; BGE 147 III 265, E. 7.3). Da die Zumutbarkeit der Ausdehnung bzw. Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit in Zukunft grundsätzlich immer ab einem bestimmten Zeitpunkt zu bejahen ist, kann dies zur Folge haben, dass das zusätzliche Einkommen mehr als nur die durch die Führung des zweiten Haushalts entstehenden Mehrkosten deckt. Bei einer solchen Konstellation darf nicht etwa das aktuelle Gesamteinkommen ohne weiteres dem aktuellen familienrechtlichen Existenzminimum gegenübergestellt und der Überschuss pauschal geteilt werden. Vielmehr muss in einem solchen Fall eine zweite Rechnung (Kontrollrechnung; vgl. hierfür Tabelle Nr. 17) durchgeführt werden (BGE 147 III 293, E. 4.4), damit die Lebenshaltung auf jene im Zeitpunkt des Zusammenlebens plafoniert bleibt. Allerdings ist diese Kontrollrechnung nicht strikt durchzuführen, was sich insbes. aus dem Vergleich mit BGE 134 III 577, E. 8 ergibt: Kinderkosten, die in einer späteren Phase weggefallen wären, sind dazumal als „vermutliche Lebenshaltungskosten“ einzubeziehen, sofern die Ehegatten ihre Lebenshaltung nicht trotz der Kinderkosten frei gestalten konnten.

3.6.2.2 Ob eine Sparquote fortbesteht oder nicht, kann nicht abstrakt aus der Höhe des Gesamteinkommens abgeleitet werden (BGE 140 III 485, E. 3.5.3). Ein hohes Einkommen ist höchstens ein Indiz für eine mögliche Sparquote (BGE 140 III 485, E. 3.5.2). Der Schuldner hat die Sparquote zu behaupten und je nach Verfahrensart glaubhaft zu machen oder zu beweisen (Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 02.61c, Rz. 05.173; vgl. dazu auch BGE 140 III 485, E. 3.3; BGE 115 II 424, E. 2; Urteil 5A_27/2009, E. 4.3 vom 2.10.2009; Urteil 5A_584/2008, E. 2 vom 6.5.2009; a.M. Jungo, in: FamPra.ch 2020, 939 ff, 945). In seiner jüngsten Rechtsprechung hat das Bundesgericht die zweistufige Methode mit Überschussverteilung als Methode zur Berechnung des Unterhalts als verbindlich erklärt (BGE 147 III 265, E. 6.6; BGE 147 III 301, E. 4; BGE 147 III 293, E. 4). Mit Blick darauf hält das Bundesgericht in BGE 147 III 293, E. 4.4 fest, dass die unterhaltspflichtige Person das Bestehen und die Höhe der (weiterbestehenden) Sparquote beweisen muss. Der entsprechende Betrag wird von der Überschussteilung ausgenommen.

3.6.2.3 Die aktuell (noch) bestehende Sparquote ist in der vorliegenden Tabelle einzusetzen (nur bei Tabellen Nr. 11 und 16 möglich; in Tabelle 11 Hauptblatt, «Sparquote (Betrag)», links oben [unter den allgemeinen Angaben]). Die Ermittlung (ausserhalb der Tabellen) kann direkt erfolgen oder durch Abzug der trennungsbedingten Mehrkosten vom bisherigen Sparbetrag. Die Aufteilung unter den Ehegatten erfolgt − wo nichts anderes vorgegeben wird – im Verhältnis der Einkommen der Ehegatten (Wertungsfrage). Zur Begründung des beidseitigen Anspruchs auf (reduziertes) Fortbestehen der Spartätigkeit, wenn dies der ehelichen Lebenshaltung entsprach, siehe Hausheer/Spycher, Handbuch, Rz. 02.66; FamKomm/Aeschlimann/Bähler, N 86 f zu Anh. UB.

3.7   Besondere Betreuungssituationen

3.7.1 Fälle mit hohen persönlichen Betreuungsanteilen beider Eltern

3.7.1.1 Auf Familienkonstellationen, bei denen beide Eltern die Kinder zu einem hohen Anteil persönlich betreuen, ist Tabelle Nr. 15 zugeschnitten. Tabelle Nr. 11 ist aber ebenfalls hier in gewissen Konstellationen anwendbar (siehe vorne, Ziff. 1.1).

3.7.1.2 Darauf, wie die Betreuungsanteile im Allgemeinen ermittelt werden, kann an dieser Stelle nicht ausführlich eingegangen werden. Eine – letztlich häufig nur scheinbar – exakte Berechnung nach Zeiteinheiten und Umrechnung in Prozente erachten wir nach wie vor als problematisch. (Vgl. für Einzelheiten Spycher, in: FamPra.ch 2016, 1 ff, 23 f). Das Bundesgericht stellt mit Blick auf die Festlegung von Betreuungsanteilen im Zusammenhang mit der Obhut nun offenbar regelmässig auf die Gesamtheit der Tage (inklusive Wochenenden; jedoch ohne Berücksichtigung allenfalls unterschiedlich verteilter Ferienzeiten) ab, wobei dies in Zeiteinheiten „Vormittag / untertags / Abend“ unterteilt wird, was einer standardisierten Unterteilung nach Stunden (in Phasen à 8 Stunden) gleichkommt (dazu unten). Dadurch ergeben sich gegebenenfalls erhebliche Abweichungen von den für den Betreuungsunterhalt relevanten Zeiten. Dies gilt es entsprechend zu berücksichtigen.

Im Urteil 5A_722/2020 vom 13.7.2021 ging das Bundesgericht von einer Betreuung durch den Vater von 35% (noch ohne Berücksichtigung der Ferientage) bzw. von 39% (unter Berücksichtigung der Ferientage), bzw. aufgerundet von knapp 40% aus, und dies, obwohl unter der Woche die Mutter an 5 Tagen (Woche 1) und 2 ½ Tagen (Woche 2) und der Vater an 2 ½ Tagen (Woche 2) für die Betreuung zuständig war, was bezogen auf die Werktage allein eine Verteilung von 75/25 % ergeben würde. Diesbezüglich besteht die Gefahr, dass aufgrund so ermittelter Prozentanteile unreflektiert ein unmittelbarer Rückschluss auf das zumutbare Erwerbspensum der Mutter gezogen wird, obwohl ein 40%-Pensum bei der konkret vorgesehenen Betreuung (5 Wochentage der einen Woche, 2 1/2 Tage der Folgewoche) – leicht erkennbar – nur schwerlich Platz findet.

Im Urteil 5A_743/2017 vom 22.5.2019 ging das Bundesgericht von einer Betreuung «zu ungefähr gleichen Teilen» aus; dies, obwohl unter der Woche die Mutter an drei Tagen – mit einem bis zwei schulfreien Nachmittagen –, und der Vater nur an zwei Tagen (zusätzlich unter Beanspruchung des Mittagstischs) zuständig war (E. 5.3.4). Nachträglich hielt Bundesrichter von Werdt zur Erläuterung der Herleitung fest, dass alle im Entscheid tabellarisch wiedergegebenen Zeiteinheiten, d.h. auch die Wochenenden und insbesondere auch die Schulzeiten berücksichtigt worden seien, wodurch sich verteilt auf 2 Wochen 42 „Einheiten“ (vgl. oben) ergaben, die berücksichtigt wurden. Die Berücksichtigung der Schulzeiten mit einer etwas tieferen Gewichtung trägt dem Umstand Rechnung, dass auch während dieser Zeitfenster elterliche Aufgaben anfallen können; unbeantwortet ist, ob dies nicht dazu führen müsste, dass schulfreie Halbtage – in casu der bei der Mutter verbrachte freie Mittwochnachmittag – wiederum ein grösseres Gewicht erhalten müssten. Generell ist u.E. sodann zu beachten, dass «Zeitzuschläge» (oder –abzüge) im Rahmen von Gewichtungen der Begründung bedürfen und sie nicht einfach pauschal vorgenommen werden sollen. Dass Betreuung während der Freizeit der Eltern und Kinder sodann gleiches Gewicht haben sollte wie jene während Arbeitswochen ist nicht evident.

Mit Blick auf die Berechnung der Betreuungsanteile und die damit zusammenhängende Aufteilung des Barunterhalts entschied das Bundesgericht im Urteil 5A_117/2021 vom 9.3.2022, dass es nicht willkürlich sei, den Barunterhalt des Kindes zwischen beiden Elternteilen unter Berücksichtigung der jeweiligen Betreuungsanteile aufzuteilen, wenn dem nicht Obhutsberechtigten ein erweitertes Besuchsrecht (vorliegend zusätzlich zum üblichen Wochenend- und Ferienbesuchsrecht ein Tag unter der Woche) eingeräumt werde. Zwecks Ermittlung der Betreuungsanteile wendete das Bundesgericht die Einteilung der Tage in je drei Einheiten an, mit Berechnung über 14 Tage und „Zuweisung“ der 42 „Einheiten“.

Vgl. zu den Vorschlägen in der Lehre, welche Zeiten für die Ermittlung der Betreuungsanteile herangezogen werden sollen oder nicht: Hausheer/Spycher/Bähler, Kapitel 6, Handbuch, 3. Aufl., erscheint voraussichtlich Dezember 2022; Aeschlimann/Bähler/Schweighauser/Stoll, in: FamPra.ch 2021, 261 ff, 276.

In BGE 147 III 265, E. 5.5 hielt das Bundesgericht zur Unterhaltsberechnung bei Fällen mit alternierender Obhut fest, dass die finanziellen Lasten bei ähnlicher Leistungsfähigkeit proportional zu den Betreuungsanteilen zu tragen seien; bei je hälftigen Betreuungsanteilen proportional zur Leistungsfähigkeit und bei gleichzeitig asymmetrischem Betreuungsumfang und Leistungsgefälle entsprechend einer sich aus dem Vergleich dieser Parameter ergebenden Matrix (vgl. die Formel und Darstellung in: von Werdt, Fragen aus dem familienrechtlichen Unterhaltsrecht, Handout zum Vortrag an der St. Galler Eherechtstagung vom 1.12.2020, 14 ff; abgebildet u.a. Aeschlimann/Bähler/Schweighauser/Stoll, in: FamPra.ch 2021, 251 ff, 276). Diese Matrix ist kritisch zu beurteilen. Ihre Anwendung darf keinesfalls als rein rechnerische Operation betrachtet werden; vielmehr ist eine einzelfallbezogene Beurteilung notwendig. Bereits das Festhalten der prozentualen Verteilung der Leistungsfähigkeit und der Betreuungsanteile setzt eine zahlenmässige Bewertung der Betreuungsanteile voraus, ein Vorgang, bei dem nicht evident ist, was „richtig“ ist Daraus ergibt sich erhebliches Streitpotenzial. Ausserdem führt die Unterhaltsberechnung anhand der Matrix ein abstraktes Element in die ansonsten konkrete Unterhaltsberechnung ein. Sie birgt in der Praxis die Gefahr von Schematismus und Fehlberechnungen. Insbes. kann sie bei „mechanischer“ Anwendung und Ausserachtlassung der vom Bundesrichter von Werdt selbst vorgegebenen Kautelen bereits bei einem geringen Betreuungsanteil der primär barunterhaltspflichtigen Person dazu führen, dass der hauptbetreuende Elternteil einen Anteil am Barunterhalt tragen müsste. Andererseits sind gewisse Konstellationen auch ohne Anwendung der Matrix ohne weiteres klar; namentlich bei Betreuung grösstenteils durch einen Elternteil. Und schliesslich existieren Konstellationen, die in der Matrix gar nicht abgebildet werden können oder dürfen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der mehrheitlich betreuende Elternteil eine erheblich höhere Leistungsfähigkeit aufweist als der andere Elternteil. Ebenso keiner Anwendung der Matrix bedarf die Situation, wenn beide Eltern tatsächlich (nicht nur „ungefähr“) gleich viel betreuen und somit die Aufteilung des Barunterhalts unmittelbar im Verhältnis der Leistungsfähigkeiten, sprich der Überschüsse, erfolgen kann. Auf der anderen Seite lässt die Matrix diverse Fragen ungeklärt: so insbesondere die Frage, weshalb eine Betreuung von unter 20% überhaupt Anlass zu einer Aufteilung des Barunterhalts zwischen den Eltern geben sollte. Last but not least führt die Matrix bei Patchworksituationen zu falschen Ergebnissen. Vgl. eingehend zur Kritik: Hausheer/Spycher/Bähler, Kapitel 6, Handbuch, 3. Aufl., erscheint voraussichtlich Dezember 2022; Aeschlimann/Bähler/Schweighauser/Stoll, in: FamPra.ch 2021, 261 ff, 276. Dementsprechend ist vor Anwendung von Tabelle Nr. 15 zu prüfen, ob Ausschlussgründe für deren Einsatz vorliegen.

3.7.1.3 Bei beidseitig hohen Betreuungsanteilen bietet sich die Bemessung des Barunterhalts durch eine Gegenüberstellung der bei den Eltern tatsächlich anfallenden (durchschnittlichen [d.h. ein kleinliches Nachrechnen soll nach Möglichkeit unterbleiben]) Auslagen i.S. von Drittkosten an, welche dann entsprechend der elterlichen Leistungsfähigkeit verteilt werden (dazu Ziff. 3.7.1.9; vgl. dazu Urteil 5A_20/2017, E. 6.2 vom 29.11.2017). Gemäss Jungo/Arndt (Jungo /Arndt, 750 ff, 756 ff) ist die Kostenverteilung unter den Eltern nicht (primär) von der Obhut abhängig. Vielmehr sind die Barkosten für die Kinder bei jenem Elternteil zu berücksichtigen, bei welchem sie tatsächlich anfallen. Aus diesem Grund sind bspw. die Wohnkosten der Kinder grundsätzlich bei beiden Elternteilen zu berücksichtigen, die Fixkosten (z.B. Prämien für die Krankenkasse) hingegen bei jenem Elternteil anzurechnen, der tatsächlich dafür aufkommt. Auf beide Eltern aufzuteilen sind die variablen Kosten (Kosten für Essen, Freizeit, Ferien), dies im Verhältnis der (rechnerisch sorgfältig geprüften; vgl. oben) Betreuungsanteile.

3.7.1.4 Der Bedarf der Eltern wird wie bei den anderen Tabellen berechnet. Für jedes Kind bestehen bei dieser Konstellation demgegenüber zwei Spalten, in welche die vom Vater und von der Mutter für das Kind bezahlten/getragenen Kosten einzutragen sind. Zu befinden ist u.a. über die angemessene Aufteilung des Grundbetrages (Tabelle Nr. 15, Hauptblatt, «Grundbedarf», Anteil Zuschlag für Kinder). Die zusammengezogenen Kinderfaktoren (unter «3. Überschussverteilung») nehmen beide Spalten auf. Für die Frage nach der Überschussverteilung kann auf das zu Tabelle Nr. 11 Gesagte verwiesen werden. Besondere Beachtung ist allerdings den steuerlichen Aspekten zu schenken (vgl. dazu Bähler , Familienunterhalt und Steuern, in: Jungo/Fountoulakis (Hrsg.), Familienvermögensrecht: berufliche Vorsorge – Güterrecht – Unterhalt, Freiburg 2016, 116 ff, 132 und Schema 157; siehe www.berechnungsblaetter.ch, unter Texte, Familienunterhalt und Steuern). Im Berechnungsblatt müssen dazu gewisse Angaben gemacht werden, damit die Steuern einigermassen zuverlässig berechnet werden können. Falsche Annahmen zu den steuerrechtlichen Verhältnissen können beträchtlichen Einfluss auf die Unterhaltsberechnung haben.

3.7.1.5 Ausgleich Barunterhalt Kinder: Auszugleichen unter den Eltern sind Zahlungen, welche den so ermittelten eigenen Anteil übersteigen. Unterhaltsbeiträge eines Elternteils für das Kind an den anderen Elternteil sind somit auch bei (annähernd oder ganz) gleichmässiger Betreuung denkbar (Urteil 5A_488/2016, E. 2.2 vom 4.4.2017; Urteil 5A_20/2017, E. 6.2 vom 29.11.2017; Urteil 5A_90/2017, E. 8.2 vom 24.8.2017; Urteil 5A_1017/2014, E. 4.4 vom 12.5.2015, wobei diese Fälle allerdings teilweise Eltern mit ungleichen Einkommen betrafen – vgl. dazu unten Ziff. 3.7.1.10; mit Blick auf den Betreuungsunterhalt vgl. Urteil 5A_968/2017, E. 3.1.1 vom 25.9.2018, wonach Betreuungsunterhalt auch dann geprüft werden muss, wenn beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen und sich gleichmässig an der Kinderbetreuung beteiligen).

3.7.1.6 Richten die Eltern ein Kinderkonto ein, kann die Einstellung bspw. so vorgenommen werden, dass der noch «nicht ausgegebene» Überschuss des Kindes auf das Kinderkonto einbezahlt wird und die Eltern alsdann entsprechende Kosten daraus bezahlen. Diesfalls ist der entsprechende Anteil am Überschuss dem das Kinderkonto verwaltenden Elternteil zuzuteilen und in die schriftliche Unterhaltsregelung eine entsprechende Verpflichtung aufzunehmen. In der Standardeinstellung (ab Juli 2020) wird keine Zuweisung auf das Kinderkonto vorgenommen. Den steuerlichen Gegebenheiten ist überdies Rechnung zu tragen: Gemäss dem Urteil 2C_380/2020, E. 4.5 vom 19.11.2020 stellen Einzahlungen auf ein Kinderkonto, auf das auch der einzahlende Elternteil Zugriff hat, keine Unterhaltsbeiträge dar.

3.7.1.7 In einer nächsten Phase wird ein allfälliger Unterhaltsanspruch eines Elternteils berechnet. Gegebenenfalls kann dieser auf den Betreuungsunterhalt umgelagert werden.

3.7.1.8 Exkurs zur Frage der einzusetzenden Kosten: Lebt das Kind annähernd gleichmässig (zeitlich gesprochen) in den Haushalten beider Eltern, partizipiert es an der Lebensstellung des Elternteils, bei dem es sich zum gegebenen Zeitpunkt aufhält (BGE 120 II 285, E. 3a/cc; vgl. dazu auch Urteil 5A_129/2019, E. 2.3 vom 10.5.2019; Urteil 5C.299/2001, E. 3e vom 7.2.2002). Abweichungen in der Lebenshaltung können sich aufgrund von deren unterschiedlichen Leistungsfähigkeit oder aber aufgrund bewusst anderer Gewichtungen der Eltern ergeben (bspw. setzt ein Elternteil auf Campingferien, während der andere gerne in entfernte Länder reist und dafür bei den Wohnkosten spart). Dass das Kind grundsätzlich gegenüber jedem Elternteil einen Anspruch darauf hat, an dessen Lebensstellung teilzuhaben, bedeutet nicht, dass die Lebenshaltung des Kindes beim einen Elternteil, welche durch diesen massgebend bestimmt wird, durch den anderen Elternteil – über den bisher gemeinsam gelebten Lebensstandard hinaus – mitfinanziert werden muss. (Objektiv) luxuriöse und nicht der bisherigen gemeinsamen Lebenshaltung entsprechende Aufwendungen, zu denen ein Elternteil sich entschliesst, können u.E. nicht in die Kostenaufstellung einbezogen werden. Notwendige Aufwendungen hingegen sind einzubeziehen, auch wenn ein Elternteil sich darauf berufen sollte, seine Zustimmung zu dieser Ausgabe nicht erteilt zu haben. Dass die Abgrenzung Probleme bereiten kann − ist die Anschaffung einer Tennisausrüstung, eines Trottinetts oder einer PlayStation nun Luxus oder aber notwendig, wenn ein Elternteil behauptet, der andere Elternteil gebe dem Kind die jeweiligen Gegenstände nicht mit? − bedeutet nicht, dass sie nicht erforderlich wäre.

3.7.1.9 Drittbetreuungskosten, welche die Erzielung des in der Folge bei der Leistungsfähigkeit berücksichtigten Einkommens erst ermöglichen, sind als Kostenfaktor zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, in wessen «Betreuungszeit» sie anfallen.

3.7.1.10 Verteilung: Die Verteilung auf die Eltern hat u.E. im Verhältnis der von den Eltern erzielten Überschüsse zu erfolgen (u.a. Spycher, in: FamPra.ch 2016, 1 ff, 25). So kann i.d.R. verhindert werden, dass ein Elternteil mit geringerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (z.B. aufgrund seiner beruflichen Stellung) übermässig belastet wird. Je nach Höhe und Verteilung der Überschüsse und der Betreuungsanteile kann es sich auch rechtfertigen, den gesamten Barunterhalt dem leistungsfähigeren Elternteil zu überbinden.

3.7.1.11 Eine besondere Herausforderung sind Konstellationen, in denen ein Elternteil zwar deutlich mehr betreut als in der «klassischen», in bisherigen Berechnungsmodellen bereits eingerechneten Ausgangslage (vgl. dazu Spycher, in: FamPra.ch 2016, 1 ff, 28 ff), bei denen die Betreuung punkto Umfang jedoch nicht (annähernd) gleich ist. Gerade hier ist der Frage einer angemessenen Berücksichtigung von überobligatorisch erzieltem Einkommen eines Elternteils besondere Beachtung zu schenken.

3.7.2 Fälle mit umfangreicher Drittbetreuung / Doppelverdienende

3.7.2.1 Ausgangslage: Doppelverdienerpaare mit minderjährigen Kindern nehmen in der Regel erhebliche Drittbetreuung in Anspruch. Entsprechend steigt der Barunterhalt, während der Naturalunterhalt zwar nicht entfällt, aber in reduziertem Umfang zu leisten ist (Spycher, in: FamPra.ch 2016, 1 ff, S. 23).

3.7.2.2 Bei Doppelverdienern mit vergleichbaren Einkommen bzw. Überschüssen ist bei der Verteilung der Unterhaltsleistungen einerseits der – gegenüber dem statistischen «Normalfall» erhöhten – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des hauptbetreuenden Elternteils Rechnung zu tragen; andererseits muss eine wirtschaftliche Doppelbelastung des Hauptbetreuenden durch «Unterschätzung» seiner Betreuungsleistung vermieden werden (bspw., wenn beide Elternteile zu 100% erwerbstätig sind, einer von ihnen jedoch umfangreicheren Naturalunterhalt leistet als der andere Elternteil; dies bspw. bei Doppelverdienern oder dann, wenn das jüngste Kind die Altersgrenze für eine 100%-Erwerbstätigkeit des bisher hauptbetreuenden Elternteils erreicht hat und bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes noch gewisse Naturalunterhaltsleistungen anfallen). Vgl. dazu nunmehr das Urteil 5A_727/2018, E. 4 vom 22.8.2019, wonach der Grundsatz gilt, dass jener Elternteil, welcher das Kind nicht oder nicht wesentlich betreut, grundsätzlich für dessen Barunterhalt aufkommen muss, während der andere Elternteil, der das Kind betreut, gleichwertig seinen Unterhaltsbeitrag in natura (Pflege, Erziehung und Betreuung) leistet. Das Vorhandensein eines Überschusses beim hauptbetreuenden Elternteil führt nicht ohne Weiteres zu dessen Beteiligung am Barunterhalt des Kindes; dies würde dem Prinzip der Gleichwertigkeit von Natural- und Geldunterhalt widersprechen. Ob der hauptbetreuende Elternteil einen Teil des Barbedarfs des Kindes decken muss, ist vom Gericht einzelfallbezogen zu beurteilen (E. 4.3.2.2). Je besser die finanziellen Verhältnisse sind und je höher der Überschuss des hauptbetreuenden Elternteils ausfällt, desto eher ist seine Beteiligung am Barunterhalt in Betracht zu ziehen, wobei immer eine Wechselwirkung zur Situation des anderen Elternteils besteht. Ist der hauptbetreuende Elternteil „überproportional leistungsfähiger“ als der andere Elternteil, ist seine Beteiligung am Barunterhalt vorzusehen.

Wird die Betreuung des Kindes zwischen den Eltern aufgeteilt, haben sich beide Elternteile proportional zum jeweils eigenen transparent ermittelten (vgl. die Bemerkungen vorne, Ziff. 3.7.1) Betreuungsanteil am Barunterhalt zu beteiligen (E. 4.3.2.1); bei je hälftiger Betreuung erfolgt die Beteiligung nach Massgabe der Leistungsfähigkeit (E. 4.3.2.3).

Vgl. zur Berücksichtigung des Naturalunterhalts auch: Jungo /Arndt, in: FamPra.ch 2019, 750 ff, 761 ff).

3.7.3 Koordination bei Kindern aus zwei oder mehr Beziehungen

3.7.3.1. Aufteilung der Betreuungskosten: Im Urteil 5A_1065/2020, E.5 vom 2.12.2021 wurde erwogen, dass mit Blick auf die Aufteilung des Betreuungsunterhalts bei einer Patchworkkonstellation, in welcher Kinder unterschiedlichen Alters von unterschiedlichen Beziehungen vorhanden sind, dem Gericht ein Ermessen zukommt. So sei es – so das Bundesgericht – nicht willkürlich, die Aufteilung des Betreuungsunterhalts zu 60% auf die drei älteren Kinder (11-jähriges, 8-jähriges und 6-jähriges Kind) aus der ersten Beziehung und zu 40% auf das jüngste, 2-jährige Kind aus der zweiten Beziehung vorzunehmen. Bei dieser Berechnung wird der barunterhaltspflichtige Elternteil der älteren Kinder im Vergleich zum Vater des jüngeren Kindes übermässig belastet, da das jüngste Kind vollumfänglich betreut werden muss und nicht nur „zu 40%“. Vgl. die Kritik bei Spycher/Schweighauser, in: FamPra.ch 2022, 732 ff, 758 ff.

3.7.3.2 Aufteilung der Wohnkosten: Das Bundesgericht hielt in seinem Urteil 5A_1065/2020, E. 4.2 vom 2.12.2021 fest, dass mit Blick auf die Frage, ob die Aufteilung der Wohnkosten angemessen ist, die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Bei einer Patchworkfamilie – so das Bundesgericht – sei es im Hinblick auf die Aufteilung der Wohnkosten nicht willkürlich, von den gesamten Wohnkosten zunächst die Wohnkostenanteile der (in casu gemeinsamen und nicht gemeinsamen) Kinder abzuziehen und anschliessend die nach Abzug verbleiben Wohnkosten je zur Hälfte auf die Konkubinatspartner aufzuteilen.

3.7.3.3 (Kein) Wegfall des Betreuungsunterhalts für voreheliche Kinder zufolge Heirat des hauptbetreuenden Elternteils? Im Urteil 5A_382/2021, E.7.3.2 vom 20.4.2022 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage des Konkurrenzverhältnisses zwischen der ehelichen Unterhaltspflicht des Ehemannes nach Art. 163 ZGB und dem Anspruch des Kindes aus einer früheren Beziehung der Mutter auf Betreuungsunterhalt. Die hauptbetreuende Mutter hatte selbst kein relevantes Einkommen. Das Bundesgericht befand, dass die Mutter aufgrund der Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes kein Manko habe und folglich kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet sei. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden: Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Kindesrechtsrevision den betreuungsbedingten Erwerbsausfall des hauptbetreuenden Elternteils aus dem nachehelichen Unterhalt in den Kindesunterhalt verlagert, um den Betreuungsunterhalt zivilstandsunabhängig zu machen. Die Unterhaltspflicht des leiblichen Elternteils geht der stiefelterlichen Beistandspflicht vor, ein Grundsatz, welcher durch die vorliegende Rechtsprechung ins Gegenteil verkehrt würde. Vgl. Spycher/Schweighauser, in: FamPra.ch 2022, 732 ff, 752 ff.